Nach Hartz-IV-Kritik: "Westerwelle zündelt wie Kaiser Nero"

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Nach Hartz-IV-Kritik: "Westerwelle zündelt wie Kaiser Nero"(c) REUTERS (RALPH ORLOWSKI)
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Der deutsche FDP-Chef kritisiert die Diskussion über höhere Sätze beim Arbeitslosengeld als "sozialistisch" und warnt vor "anstrengungslosem Wohlstand". Dafür hagelt es jetzt Kritik.

Der deutsche FDP-Chef Guido Westerwelle hat nach dem Hartz-IV-Urteil des Verfassungsgerichts jene kritisiert, die für höhere Sätze beim Arbeitslosengeld plädieren. Er warnte vor "anstrengungslosem Wohlstand" für alle, beanstandete eine Debatte mit "sozialistischen Zügen" und pochte auf Steuersenkungen. Dafür hagelt es jetzt Kritik.

In einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Die Welt" warnte Westerwelle vor einer Missachtung des Leistungsdenkens. "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. An einem solchen Denken kann Deutschland scheitern." Es würde wie "in einem pawlowschen Reflex" gerufen, "jetzt könne es erst recht keine Entlastung der Bürger mehr geben, das Geld brauche man für höhere Hartz-IV-Sätze". Die Diskussion über das Karlsruher Urteil trage "sozialistische Züge".

Hartz-IV-Urteil

Als "Hartz-IV" wird in Deutschland die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bezeichnet. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts muss die deutsche Bundesregierung die Regelsätze für die rund 5,6 Millionen Bezieher neu berechnen. Die bisherige Regelung verstoße gegen das Grundgesetz.

SPD: "Westerwelle zündelt am Staat"

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel reagierte heftig: "Die ganze Steuersenkungsorgie von Westerwelle ist nichts anderes als eine versteckte Fortsetzung seiner Klientelpolitik: Da werden diejenigen, die hohe Einkommen haben, entlastet - obwohl das gleichzeitig oft Menschen sind, die gar keine Sozialabgaben zahlen." Mit Steuergeschenken zündle Westerwelle am Staat "wie Kaiser Nero", so Gabriel in einem "Spiegel"-Interview.

Auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte Westerwelle. "Wenn er in Zusammenhang mit Hartz IV von spätrömischer Dekadenz spricht, beleidigt Herr Westerwelle Millionen Langzeitarbeitslose in Deutschland", sagte sie der Zeitung.

Linke: "Selbsternannte Freiheitsstatue"

Linken-Bundestagsabgeordnete Petra Pau lästerte, "jeder, der Artikel 1 Grundgesetz - die Würde des Menschen ist unantastbar - wichtiger nimmt, als sein eigenes Ego, trägt sozialistische Züge." Das sollte Westerwelle als "die selbsternannte Freiheits-Statue Deutschlands" eigentlich wissen. Der designierte Parteichef der Linken, Klaus Ernst, kündigte an, seine Partei wolle die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai zur Abstimmung über Hartz IV machen.

Auch innerhalb der schwarz-gelben Koalition gehen die Meinungen auseinander. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer pochte als Konsequenz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Verbesserungen für Langzeitarbeitslose, die auch Geld kosten werden. Die bisherigen Regelungen seien "eines Sozialstaats unwürdig", sagte Seehofer der "SZ".

Westerwelle legt nach: "Finger in die Wunde"

Der FDP-Chef legte unterdessen nocheinmal nach. Er werde keine Silbe zurücknehmen, sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wenn man in Deutschland schon dafür angegriffen wird, wenn man sagt, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus", erklärte er. Kleine und mittlere Einkommen dürften nicht länger "die Melkkühe der Gesellschaft" sein. Die wütenden Reaktionen aus dem linken Lager zeigten ihm doch, dass er den Finger in die Wunde gelegt habe.

(Ag./Red.)

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