Kardinal Königs Leben – am seidenen Faden

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1960: Autounfall in Jugoslawien, Schock in Österreich. Dichter Nebel und Glatteis behinderten die Fahrt, doch bemühte sich der Chauffeur, Martin Stadler, den Zeitplan einzuhalten.

Heute vor 50 Jahren hätte das Leben des Wiener Erzbischofs Franz Kardinal König und seinem damaligen Zeremoniär Helmut Krätzl um ein Haar geendet. Bei einem Frontalzusammenstoß in Jugoslawien erlitten die beiden Wiener Kirchenmänner schwerste Kopfverletzungen, ihr Chauffeur war auf der Stelle tot.

Am 13. Februar 1960 waren die drei Männer nach einer Übernachtung in Graz um sieben Uhr Früh mit der schweren Dienstlimousine des Kardinals (Autokennzeichen „W 25“) in Richtung Zagreb gestartet, weil sie um zehn Uhr am Requiem für den verstorbenen kroatischen Erzbischof Alojzije Kardinal Stepinac teilnehmen sollten.

Frontalcrash mit 90 km/h

Dichter Nebel und Glatteis behinderten die Fahrt, doch bemühte sich der Chauffeur, Martin Stadler, den Zeitplan einzuhalten. Der Mann war ein äußerst versierter Fahrer, von 1933 an stand er in Diensten des Ordinariats. Er wählte die Straße Pettau–Varazdin, die zwar um 14 Kilometer länger, aber besser ausgebaut war.

14 Kilometer südlich von Varazdin wollte Stadler einen Radfahrer überholen, er übersah dabei einen entgegenkommenden Tiefkühlwagen. Mit 90 Stundenkilometern krachte der schwere Mercedes in den Lastwagen.

Fahrer Stadler starb noch an der Unfallstelle. Die beiden Priester auf der Rückbank lagen bewusstlos in dem Wrack, ein zufällig vorbeikommender Gemeindearzt leistete sofort Erste Hilfe. In zwei angehaltenen Privatautos wurden die Verletzten ins Spital nach Varazdin gebracht. Die ersten Meldungen nach Wien sprachen von schweren Schädelverletzungen, bei Helmut Krätzl, der später Wiener Weihbischof werden sollte, war man ziemlich sicher, dass er den Tag nicht überleben würde. Zunächst wusste man im Spital nicht, um wen es sich bei den Unfallopfern handelte. Wegen der geistlichen Gewänder holte man aus dem benachbarten Franziskanerkloster Pater Guardian, der den beiden Schwerverletzten das Sakrament der Krankensalbung spendete.

Österreichs Politik im Schockzustand

Noch am Nachmittag flog Königs Hausarzt Herbert Kraus mit einem Bundesheer-Hubschrauber nach Spielfeld, von dort brachte ihn ein Auto der Grazer Diözese nach Varazdin. Es „regnete“ Genesungswünsche der österreichischen Politiker – Bundespräsident Schärf telegrafierte, ebenso Bundeskanzler Raab und der neue ÖVP-Obmann Alfons Gorbach.

Eine Woche später konnten Kardinal König und Zeremoniär Krätzl mit dem Flugzeug nach Wien transportiert werden, wo sie noch drei Monate Spitalspflege und mehrere Operationen zu überstehen hatten. Der tote Fahrer wurde auf dem Baumgartner Friedhof begraben. Er hinterließ seine Frau und zwei minderjährige Kinder.

Für die Journalisten war dieses Wochenende vor 50 Jahren ein überaus arbeitsreiches, man könnte auch sagen: ein „ergiebiges“. Denn neben Königs spektakulärem Autounfall war auch in der Innenpolitik der Teufel los.

Julius Raab wurde „abserviert“

In Wien tagte der 8. Bundesparteitag der ÖVP, bei dem Bundeskanzler Julius Raab die Parteiführung an den Dritten Nationalratspräsidenten Alfons Gorbach aus der Steiermark abgeben musste. Die „Reformer“ unter Führung von Josef Klaus (Salzburg), Josef Krainer (Steiermark) und Hermann Withalm (Niederösterreich) hatten den bereits kränkelnden „Staatsvertragskanzler“ Raab zum freiwilligen Verzicht auf die Parteiführung überreden können – eine späte Folge der Wahlniederlage vom 10. Mai 1959. Raab hatte damals drei Mandate verloren, die Sozialisten hatten aufgeholt, im Nationalrat stand es nur noch 79 zu 78 für die Volkspartei. Panik erfasste die Parteigranden.

Wieder einmal suchte damals die Volkspartei nach anderen Wegen, um neue Wählerschichten anzusprechen. Die diversen Versprechungen haben sich bis heute kaum geändert: hin zum „kleinen Mann“, Anhebung der Löhne und Gehälter, bessere Bildung, billigere Kredite für junge Leute, familiengerechter Wohnbau . . . Und der alternde Raab musste leidvoll zur Kenntnis nehmen, dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist.

Treibende Kraft war damals schon der sendungsbewusste und reformwillige Salzburger Landeshauptmann Josef Klaus, der letztlich auch Gorbach als Parteichef und Bundeskanzler beerben sollte.

Baugrube am Schottentor

Wiens Autofahrer bewegte aber ganz anderes: Die Sonntagszeitungen druckten Straßenpläne der Wiener City ab, die man ausschneiden „und bequem in der Jackentasche mitnehmen“ konnte. Es stand nämlich ein Baustellenzirkus erster Ordnung bevor – und der sollte eineinhalb Jahre dauern. Der Ring wurde bei der Schottenkreuzung und bei der Babenbergerstraße gesperrt, um die entsprechenden Passagen zu bauen. Im letzten Moment kam die Stadt auf die naheliegende Idee, dass man vor der Votivkirche gleich auch noch eine Tiefgarage bauen könnte, wenn die Schottenkreuzung sowieso zur Baugrube umfunktioniert werde. Eine ganze „Presse“-Seite widmete Chronik-Chef Thomas Chorherr dem Umleitungszirkus, während Reporterin Barbara Coudenhove-Kalergi über den spektakulären Plan einer Tiefgarage Am Hof berichtete . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2010)

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