Aus Betroffenen Beteiligte machen

Ákos Burg
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Kommunikation. Kampagnen stehen seit den jüngsten Enthüllungen in schiefem Licht. Philipp Maderthaner über Campaigning, seine Ziele und Grenzen und den Unterschied zur Werbung.

Was dieser Tage rund um Facebook, Cambridge Analytics und Donald Trumps Wahlkampf ruchbar wurde, wirft ein neues Licht auf Kampagnen und den Umgang mit Daten. Allerdings: „Daten helfen, Kommunikation wirksam zu machen“, sagt Philipp Maderthaner, Gründer des Campaigning Bureaus. Ohne Daten weder Campaigning noch Werbung.

Das beginne im Kleinen: Ein Greißler kenne seine Kunden, habe ihre Profile im Kopf und könne sie mit seinen Botschaften gezielt ansprechen. (Digitale) Daten seien da nur ein Vehikel, persönliche Beziehungen zu skalieren, sagt Maderthaner. In der Werbung wie im Campaigning. Doch es gebe fundamentale Unterschiede: Werbung sei produktorientiert und habe den Absatz im Blick. Campaigning verändere die Aufmerksamkeit: „from asset to aspiration“, vom Produkt zur Überzeugung. Campaigning versuche, Anziehungskraft und Zugehörigkeit zu schaffen: zu einem Unternehmen, einer Person, einem Anliegen. „Werbung ist sendungsorientiert, Campaigning empfangsorientiert.“

Oder nochmals anders: Werbung schaffe künstliche Welten, die schwierig aufrechtzuerhalten seien, Campaigning versuche nach außen zu kehren, was ist. Stellt sich die Frage, was dieses „was ist“ bedeutet. Maderthaner nennt die eigentümergeführten Unternehmen: Diese Unternehmer hätten einen Antrieb, eine Vision, eine Leidenschaft, für die sie begeistern möchten. Wobei Maderthaner einräumt, dass nicht jeder Antrieb eine ansteckende Begeisterung auslöse. „Gewinnstreben als Antrieb wird keine Anziehung schaffen“, sagt Maderthaner.

Er hatte sich auch vom Campaigning in Baracks Obamas Wahlkampf inspirieren lassen und einiges an Erfahrung aus den USA mitgenommen. Vor wenigen Tagen erhielt er in den USA drei Reed-Awards, quasi die Campaigning-Oscars, für Europas beste Outdoor-Kampagne (NÖ Bauern), Web-Kampagne und gemeinsam mit Arrow Films für den besten TV-Spot (Kurz-Wahlkampf).

„Positive Überzeugungstäter“

Campaigning, sagt Maderthaner, versuche, Menschen nicht nur zu begeistern, sondern aus Betroffenen Beteiligte zu machen. Unternehmen müssten sich also fragen: Wie können meine Kunden zum Hebel für ein Anliegen werden? Dazu bringt er noch einmal das Beispiel des Greißlers: Wenn er seine Kunden in die Entscheidung einbinde, wie er sein Sortiment entwickeln solle, würden aus Betroffenen Beteiligte.

Daraus ergebe sich auch eine Grenze bei der Einsatzmöglichkeit: „Wenn es ums reine Verkaufen geht, ist Campaigning ungeeignet“, sagt Maderthaner. „Man muss mehr geben können, es braucht ein höheres Ziel.“ So gesehen unterstütze er „positive Überzeugungstäter“: eigentümergeführte Unternehmen, Start-ups, aber auch Konzerne oder Parteien und Interessenvertretungen, wie seine Referenzenliste zeigt.
Dabei sei Campaigning – anders als oft für kurze Zeiträume angesetzte Werbekampagnen – eine langfristige Sache, abgesehen von Wahlkämpfen, mindestens ein halbes Jahr.

Lieber spricht Maderthaner von „permanent campaigning“. Doch er räumt ein: Am Anfang sei es, wie einen Lkw anzuschieben. „Es braucht Energie, bis die Sache ins Rollen kommt – abhängig von der Grundgesamtheit, mit der ich starten kann: Muss ich bei null anfangen oder kann ich auf einer Welle surfen?“ Es dauere eben, bis das Schwungrad laufe, Doch es gehe ja nicht um kurzfristige Aufmerksamkeit, sondern um lang dauernde Verbindungen aufgrund gemeinsamer Werte.

Der (Miss-)Erfolg lasse sich messen. Kurzfristig an der Zahl an neuen Kontakten, an Menschen, die weiterempfehlen oder in Projekte einsteigen. Mittel- und langfristig sei immer auch die positive wirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Kenngröße – finanzieller Erfolg aber sollte nicht der einzige Grund für Campaigning sein.

Bleibt die Frage der Ethik

Natürlich stelle sich auch beim Campaigning die Frage nach ethischen Grenzen: Das sei wie bei jeder Art von Kommunikation. Denn selbst Zwiegespräche könnten manipulativ sein, sagt Maderthaner.

Zurück zum Ausgangspunkt: Um juristische und ethische Fragen gehe es auch beim Sammeln und Kompilieren der Daten. Maderthaner bevorzugt es, Kampagnen auf Grundlage der Daten auszurichten, die Menschen freiwillig hergeben. Ihm sei wichtig, beim Sammeln an jedem Interaktionspunkt die Zustimmung zu erneuern, gleich ob „beim Ausfüllen auf einer landing page“ oder „beim Klick im E-Mail“. Rechtlich zulässig sei derzeit, mit Daten zu handeln und sie für Kampagnen zuzukaufen, das ist aber sei nicht sein Konzept.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2018)

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