Budget: Richter warnen vor "schweren Schäden" für die Justiz

Außenaufnahme des Justizpalastes, Sitz des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Wien
Außenaufnahme des Justizpalastes, Sitz des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts WienAPA/GEORG HOCHMUTH
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"Unfaires" Agieren bei Müttern, "in der Luft hängende" Absolventen und "Riesenverfahren": Die Lage der Justiz ist prekär, kritisieren die Präsidenten der Oberlandesgerichte Graz, Innsbruck, Wien und Linz. Und die Politik spare trotzdem.

Die Justiz zeigt massiven Widerstand gegen die von der Regierung verordneten Kürzungen: 5000 Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und Kanzleimitarbeiter haben bereits eine Protestnote der Standesvertreter dagegen unterschrieben. Richter-Präsidentin Sabine Matejka suchte diesbezüglich bereits das Beamtenministerium von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) auf und auch Justizminister Josef Moser (ÖVP) beklagte sich über die (von ihm mitverhandelten) Budgetmittel, die lediglich zum Erhalt der "Grundbedürfnisse" ausreichen würden.

Am Donnerstag reihten sich die Präsidenten der Oberlandesgerichte Graz, Innsbruck, Wien und Linz, Manfred Scaria, Klaus Schröder, Katharina Lehmayer und Gerhard Jelinek, in die Reihe der Kritiker ein. Sie befürchten, dass mit den Einsparungen an Geld und Personal "schwere Schäden der österreichischen Justiz", des Wirtschaftsstandortes und des Rechtsstaates einhergehen werden.

Noch zähle die heimische Justiz zu den Spitzenreitern Europas in Sachen Qualität, Sparsamkeit, Modernität und Automation, wurde bei einer Pressekonferenz am Vormittag betont. Allein im Jahr 2017 seien 2,8 Millionen Rechtssachen erledigt worden. Allerdings: Der Anteil der Justiz am Gesamtbudget liege bei unter zwei Prozent, wird beanstandet. Stellen werden nun gestrichen - mit verheerenden Folgen, warnen die Richter.

"Riesenverfahren" und mehr Arbeit durch mehr Polizei

Konkret sollen im Kanzleibereich noch heuer 82 Planstellen beseitigt werden, 2019 weitere 94. Auch 42 Richter- und Staatsanwaltsposten sollen nicht nachbesetzt werden. "Die Grenzen sind überschritten", so der Appell der Richter. Immerhin sei die Justiz mit immer mehr Herausforderungen konfrontiert: Mit "Riesenverfahren", wie dem Buwog-Verfahren um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und der dazugehörigen Sichtung "unvorstellbarer Datenmengen", mit "personalintensiven Reformen", wie jener hinsichtlich des Erwachsenenschutzgesetzes, oder mit der "massiven Aufstockung der Polizei", die einen logischen Arbeitsanstieg der Staatsanwaltschaften und Strafgerichten ergeben würden.

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Damit sei die Schieflage aber noch nicht vollends skizziert. So habe die Justiz in der Vergangenheit als "arbeitsmarktpolitischer Motor" fungiert, indem Lehrlinge und Verwaltungspraktikanten ausgebildet wurden. Nun müssten "tüchtige, fertig ausgebildete Menschen von heute auf morgen weggeschickt werden". Die geplante Digitalisierung der Akten müsse aufgrund des schwindenden Personals weiters "auf halbem Weg abgebrochen werden".

Für die Schaffung bürgernaher Servicestellen fehle gänzlich das Geld, die Mittel für Fortbildungen - die die eingangs erwähnte hohe Qualität der österreichischen Justiz bislang ausmachten - würden um 40 Prozent zurückgefahren. Auch in der Verkürzung der Gerichtspraxis um zwei auf fünf Monate orten die Präsidenten der Oberlandesgerichte einen "schweren Rückschritt". Denn: "Eine immense Zahl von Studienabsolventen hängt in der Luft, zumal diese Gerichtspraxis die Voraussetzung für viele Rechtsberufe ist."

"Unfair" gegenüber Müttern

Zudem kritisierten Scaria, Schröder, Lehmayer und Jelinek am Donnerstag den "unfairen" Umgang  mit Müttern. In ihrer Protestnote hielten sie fest: "Ein Großteil der Abweichung vom Personalplan ist nur darauf zurückzuführen, dass die Richterinnen und Staatsanwältinnen in der Mutterschutzfrist als aktiv mitgezählt werden müssen, obwohl für sie ein Beschäftigungsverbot besteht." Die Folge: eine verzerrte Personalstatistik, die dazu führe, dass unbesetzte Gerichtsabteilungen nicht nachbesetzt werden können.

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(hell)

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