Ägypten: Sisis Anhänger jubeln, doch Wut steigt

Die schlechte ökonomische Situation und die steigenden Preise machen vielen Ägyptern zu schaffen.
Die schlechte ökonomische Situation und die steigenden Preise machen vielen Ägyptern zu schaffen.APA/AFP/FETHI BELAID
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Wahlergebnisse über 90 Prozent wie für Präsident Sisi sind selten ein Zeichen einer lebendigen Demokratie. Der Unmut über die soziale Lage wächst. Eine Analyse.

Zwar kann sich der ägyptische Machthaber Abdel Fatah al-Sisi über ein pharaonisches Ergebnis bei der jüngsten Präsidentenwahl freuen. Doch tatsächlich hat er mit der niedrigen Wahlbeteiligung ein Legitimitätsproblem. Das Endergebnis des Urnengangs wird zwar erst am Montag bekannt gegeben. Doch Sisis Anhänger bejubelten bereits am Freitag die tags zuvor bekannt gewordenen ersten Ergebnisse: 92 Prozent stimmten demnach für den alten und neuen Präsidenten. Wahlergebnisse von über 90 Prozent sind indes selten ein Zeichen einer lebendigen Demokratie.

Die relativ niedrige Wahlbeteiligung von 40 Prozent ist jedoch ein Dämpfer für Sisi. Immerhin hatte das Regime auch alles versucht, um die Menschen an die Wahlurnen zu bekommen.

Letzten Endes stellt das auf der PR-Ebene für den Präsidenten keine große Herausforderung dar. Für Anhänger Sisis ist das kein Thema, und auch er selbst hat erklärt, dass „die Stimme der ägyptischen Massen zweifellos den Willen der Nation ausdrückt“.

Im Land sorgen die gleichgeschalteten Medien dafür, dass ein Legitimitätsproblem Sisis wegen der niedrigen Wahlbeteiligung nicht diskutiert wird. Und wer es dennoch tut, kann schnell den Repressionsapparat kennenlernen. Auch international ist wenig Kritik zu hören. Sisi wird in den USA und Europa als Partner im Antiterrorkampf und bei der Eindämmung der Migrationskrise hofiert.

40.000 politische Gefangene

Die wirkliche Gefahr, die nicht nur Sisi, sondern dem ganzen Land droht, ist eine andere. Denn neben den vor den Wahllokalen feiernden und tanzenden Anhängern Sisis gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, in denen sich der Frust und die Wut über die Lage in Ägypten aufstaut.

Ganz besonders ihre schlechte ökonomische Situation und die steigenden Preise machen vielen Ägyptern zu schaffen. Andere haben Verwandte und Freunde, die im Gefängnis sitzen. Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sprechen von mindestens 40.000 Menschen, die aus politischen Gründen in Ägypten in den vergangenen Jahren weggesperrt wurden. Andere Schätzungen gehen noch höher.

Boden für Radikalisierung

Wenn es nun, wie bei dieser Wahl, keinerlei politische Spielräume für Dissens gibt, wenn überhaupt keine Debatten und Diskussionen über verschiedene politische Optionen stattfinden, dann stellt sich die Frage, wo und wann sich dieser Unmut entladen wird. Das werden dann nicht nur ein paar freundliche jugendliche Aktivisten auf dem Tahrir-Platz sein: Mangelnde politische Spielräume bereiten in der Regel den Boden für eine Radikalisierung der Gesellschaft. Eine arabische Erfahrung, die scheinbar immer wiederkehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2018)

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