Syrien: Türkei warnt Paris vor Hilfe für Kurden

Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates in Ankara. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdo˘gan, treibt die Militäraktion im Norden Syriens voran.
Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates in Ankara. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdo˘gan, treibt die Militäraktion im Norden Syriens voran.imago/Xinhua
  • Drucken

Präsident Erdoğan will Offensive in Syrien ausweiten und weist Vermittlungsangebot Macrons zurück. Es droht ein Angriff auf französische Soldaten, sollten sie die Kurden unterstützen.

Ankara/Paris. Die Türkei geht mit ihrer Syrien-Politik zusehends auf Kriegskurs mit dem Westen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wies am Freitag mit scharfen Worten eine Initiative Frankreichs zur Stabilisierung der Lage im Norden Syriens zurück, wo türkische Truppen gegen die Kurdenmiliz YPG vorgehen. Gleichzeitig signalisierte Erdoğan neue Militäraktionen seines Landes in kurdisch beherrschten Landesteilen in Syrien.

Seine Abwendung vom Westen geht mit engerer Zusammenarbeit mit Russland und dem Iran einher: Erdoğan empfängt kommende Woche die Staatschefs aus Moskau und Teheran, Wladimir Putin und Hassan Rohani, in Ankara zu einem Gipfeltreffen.

Eigentlich hat sich die türkische Regierung über einen Erfolg in Syrien freuen wollen: US-Präsident Donald Trump hat den baldigen Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem Bürgerkriegsland angekündigt; die USA arbeiten im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien eng mit den sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG) der Kurden zusammen. Ohne den Schutz durch (vor allem) die US-Truppen in Syrien wären die YPG der türkischen Armee ausgeliefert.

Allerdings widerspricht Trumps Stellungnahme der erst im Jänner vorgestellten US-Strategie in Syrien, die auf einer langfristigen Militärpräsenz und engen Kooperation mit den YPG beruht. Wegen Trumps Wankelmütigkeit und der unklaren Lage in der US-Regierung nach der Entlassung von Außenminister Rex Tillerson sowie dem angekündigten Ausscheiden von Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster steht nicht fest, wie ernst die Ankündigung des Präsidenten zu nehmen ist. Viele US-Offiziere in Syrien wollen die Zusammenarbeit mit den YPG fortsetzen.

„Brauchen keinen Vermittler“

Die türkische Freude über Trumps Syrien-Aussage währte ohnehin nicht lang. Die Nachricht von einem Treffen Macrons mit Vertretern der syrischen Kurden in Paris ließ in Ankara die Alarmglocken schrillen. Dass Macron in dem Gespräch die Vermittlung seines Landes zwischen der Türkei und den Kurden angeboten hatte, brachte Erdoğan auf die Palme. „Wir brauchen keinen Vermittler“, sagte er in einer Rede am Freitag. Aus türkischer Sicht sind die YPG eine Terrororganisation, mit der man nicht verhandelt, sondern die man bekämpft.

Dagegen betonte Macron laut dem Präsidialamt in Paris, die türkische Intervention in der nordwestsyrischen Kurdenstadt Afrin sei „inakzeptabel“. Kurdischen Angaben zufolge versprach Macron den Kurdenvertretern zudem, Frankreich werde sie gegen den IS und „ausländische Aggressionen“ schützen – wohl eine Anspielung auf die Türkei. Einen zusätzlichen Truppeneinsatz in Syrien plant Frankreich nicht, schließt aber verstärkte Militärhilfe für die Kurden nicht aus.

Die Haltung Frankreichs sei „völlig falsch“, sagte Erdoğan. Macron solle bloß nicht um Hilfe bitten, wenn kurdische Gewalttäter in Frankreich auftauchen sollten. Ab sofort habe Paris kein Recht mehr, sich über Terroranschläge zu beklagen. Regierungssprecher Bekir Bozdağ drohte sogar mit Angriffen auf französische Truppen, falls Paris zusammen mit den YPG in Syrien aktiv werden sollte: Jeder, der mit der YPG kooperiere, rücke ins Visier der Türkei.

Neben Frankreich haben auch Deutschland und die USA die türkische Intervention in Syrien kritisiert. Trotz aller Einwände des Westens will Erdoğan seine Soldaten in Syrien nach der Einnahme von Afrin jedoch weiter in Richtung Osten marschieren lassen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Stadt Manbij, wo US-Truppen zusammen mit den YPG stationiert sind. Östlich von Manbij, in den syrisch-kurdischen Städten Kobane, Ras al-Ain und Tal Abyad, haben laut Erdoğan bereits türkische Militäraktionen begonnen. Von kurdischer Seite lag dazu zunächst keine Bestätigung vor.

Affront gegenüber den USA

Insbesondere ein türkischer Angriff auf Kobane wäre ein Affront gegenüber den USA: Die Kurden in Kobane konnten 2015 mithilfe westlicher Luftangriffe eine Offensive des IS zurückschlagen und die Region um die Stadt unter ihre Kontrolle bringen. Die Türkei hat sich damals zunächst geweigert, den Kurden direkte Hilfe zukommen zu lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Trump: Um Syrien sollen sich "andere Leute" kümmern

Der US-Präsident kündigt einen raschen Rückzug seiner Truppen aus Syrien an. Sein Außenministerium weiß allerdings nichts von den Plänen. Frankreich sagt unterdessen kurdischen Milizen seine Unterstützung zu.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.