Tödliche Bakterien in Steirer-Käse: Kritik an Hersteller

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Sechs Menschen sind gestorben. Ein Informant berichtet von "schlampigem" Umgang mit Hygiene. Bereits im Herbst seien Grenzwerte überschritten worden. Das Unternehmen Prolactal weist die Vorwürfe zurück.

Sechs Menschen sind nach dem Verzehr von steirischem Käse an Listeria-Bakterien gestorben, vier davon in Österreich, zwei in Deutschland. Ein Informant hat gegenüber der Nachrichtenagentur APA schwere Vorwürfe gegen den Hersteller erhoben. Im Unternehmen herrsche ein "schlampiger" Umgang mit Hygiene. Seit Herbst 2009 habe das oststeirische Unternehmen Prolactal über Bakterien in seinen Produkten Bescheid gewusst. Die Proben seien vereinzelt über den Grenzwerten gelegen. Dem widersprach die Pressesprecherin des Unternehmens. Das Gesundheitsministerium sprach von zwei Routinekontrollen 2009, bei denen keine Überschreitungen von Listerien-Grenzwerten festgestellt wurden.

Das Mikrolabor des Hartberger Betriebs befindet sich im oberösterreichischen Pasching, einer weiteren Niederlassung von Prolactal, und führt u.a. die Untersuchungen an den in der Oststeiermark gezogenen Proben durch. Dort sei man schon im Vorjahr auf die Bakterien gestoßen, die Ergebnisse seien auch nach Hartberg weitergegeben worden, berichtete der Informant. Die Ergebnisse hätten jedoch im Vergleich zu jenen aus einem externen Labor Abweichungen gezeigt. Diese Werte seien nämlich vereinzelt über der vorgeschrieben Grenze gewesen, so der Insider.

Eine intensive Reinigungsaktion sei daraufhin im Hartberger Betrieb gestartet worden. Immer wieder wurden zahlreiche Proben aus Produkten gezogen und an externe Labors geschickt, um dem Problem auf den Grund zu gehen, doch bisher sei die Suche nicht erfolgreich gewesen. Enorme Summen an Geld musste das Unternehmen dafür investieren. Der Informant sprach davon, dass schon damals die Produktion eigentlich hätte stillgelegt werden müssen.

Mitarbeiter als Testperson?

Neben der Listerien-Verseuchung sollen die hygienischen Bedingungen teilweise "schlampig" sein, berichtete die Quelle. Der Topfen und andere Rohstoffe würden oft "billigst im Ausland gekauft" und in schmutzigen Verpackungen geliefert. Mitarbeiterinnen mussten bereits abgelaufenen Quargel kosten und auf seine Genießbarkeit beurteilen. Das Unternehmen wies den Vorwurf entschieden zurück und meinte, dass die Mitarbeiter keine "Testpersonen" seien. Doch hätten sie oft über Grippesymptome und Übelkeit geklagt, so der Informant, der meinte, dass dort mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Bakterien von den Mitarbeiterinnen mitverzehrt wurden.

Von Unternehmensseite hieß es auf Nachfrage, dass quasi ständig positive Proben gezogen würden, diese aber stets unter den Grenzwerten gelegen seien. Erst als amtliche Untersuchungen am 22. Jänner überhöhte Werte lieferten, habe man umgehend gehandelt und die Rückholaktion gestartet. Wie es trotz Überprüfung "jeder einzelnen Charge" zu den Todesfällen habe kommen können, konnte man sich bei Prolactal nicht erklären.

Unklar ist, auf welche Weise der Listeriose-Erreger in die Produktion kam. "Mitte 2009 muss dort irgendwas passiert sein - was, wissen wir nicht", sagte Franz Allerberger von der Agentur für Ernährungssicherheit (Ages).

Deutscher Topfen statt steirischer Milch

Kritik kam am Dienstag auch von der Landwirtschaftskammer: Das Unternehmen produziert unter anderem einen "Hartberger Bauernquargel", verwende dafür aber Topfen aus Deutschland. "Das ist ein Skandal, weil kein Tropfen steirische Milch drinnen ist", kritisierte Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski. Wir wehren uns massiv gegen die Pauschalverurteilungen von steirischem Käse, der ausschließlich aus heimischer Milch unter strengster Hygiene hergestellt wird."

Listerien

Die Bakterienart Listeria (L.) monocytogenes ist in der Umwelt weit verbreitet. Auch Lebensmittel tierischer Herkunft wie Rohmilch, Weichkäse, Räucherfisch oder rohes Fleisch können bei ihrer Gewinnung damit verunreinigt werden und sind somit in lebensmittelverarbeitenden Betrieben als sogenannte "Hauskeime" gefürchtet.

Listerien können beim Menschen die Krankheit Listeriose verursachen, die von den Symptomen einer normalen Grippe ähnelt. Im Rahmen einer Lebensmittelinfektion zeigen sich Krankheitssymptome innerhalb von drei bis 70 Tagen. Bei gesunden Erwachsenen verläuft die Infektion meist ohne Krankheitszeichen oder mit Durchfall. Im schlimmsten Fall können die Bakterien eine Enzephalitis auslösen.

(APA)

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