SPD-Chef Gabriel: "Frau Merkel ist zu feige"

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Der deutsche Oppositionsführer Gabriel fordert die Kanzlerin auf, eine Regierungserklärung zur Debatte um Hartz IV abzugeben. FDP-Chef Westerwelle sieht "enorme Zustimmung" zu seiner Kritik am Sozialstaat.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, Konsequenzen aus der aktuellen Debatte über die Hartz-IV-Regelsätze zu ziehen. "Frau Merkel ist zu feige, dazu eine Regierungserklärung abzugeben", sagte Gabriel am Dienstag zu der Diskussion, die er "schrill" nannte. FDP-Chef Guido Westerwelle sah für seine Kritik am Sozialstaat indessen großen Rückhalt.

"Stapelt Benzinfässer unterm Dach"

Die Auseinandersetzung um das Lohnabstandsgebot zwischen Hartz-IV-Empfängern und Geringverdienern lasse nur zwei Möglichkeiten zu: die Senkung der Regelsätze oder die Einführung eines Mindestlohns, meinte der SPD-Chef. "Wenn die Regierung die Senkung will, werden wir sagen: Das ist falsch, und das Bundesverfassungsgericht wird sich erneut mit der Frage zu beschäftigen haben."

FDP-Chef und Vizekanzler Westerwelle hatte der Debatte "sozialistische Züge" und "spätrömische Dekadenz" bescheinigt. Indem die Kanzlerin sich lediglich von dieser Wortwahl distanziere, lasse sie als "Biederfrau" zu, dass der FDP-Chef "unterm Dach die Benzinfässer stapelt", sagte Gabriel unter Anspielung auf das Max-Frisch-Drama "Biedermann und die Brandstifter".

Hartz IV

Als "Hartz-IV" wird in Deutschland die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bezeichnet. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts muss die deutsche Bundesregierung die Regelsätze für die rund 5,6 Millionen Bezieher neu berechnen. Die bisherige Regelung verstoße gegen das Grundgesetz.

Westerwelle: "Enorme Zustimmung für Kritik"

Westerwelle sah für seine Kritik am Sozialstaat indessen großen Rückhalt. "Die Zustimmung aus der Bevölkerung ist enorm. Die Menschen wollen die Wahrheit hören", sagte der deutsche Vizekanzler dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag-Ausgabe). Die meisten Menschen fänden es unerträglich, wenn jemand mit Arbeit weniger habe als ein Arbeitsloser.

Westerwelle betonte, dass er sich von der breiten Entrüstung über seine Äußerungen nicht beirren lasse. "Wenn jemand den Finger in die Wunden des linken Zeitgeistes legt, ist die Empörung immer groß", sagte der Außenminister. Es könne nicht so weitergehen, dass 45 Prozent der Bundesausgaben in den Sozialhaushalt gingen. "Das mag linken Kommentatoren nicht passen. Aber darauf kommt es nicht an." Wer den Sozialstaat zu lange überfordere, zerstöre ihn.

Westerwelle ging nicht auf die Frage ein, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu seinen Gunsten in die Debatte eingreifen sollte. Auch die Frage, ob die Kanzlerin in der geplanten Bundestagsdebatte zur Sozialpolitik Stellung nehmen sollte, ließ Westerwelle offen. Merkel hatte sich von Westerwelles Wortwahl distanziert, inhaltlich hat sich die Regierungschefin bis dato nicht zu der Diskussion geäußert.

(Ag.)

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