Daniela Larcher: Wo man Leichen findet

Böhmischer Prater. Ein Schauplatz in Larchers nächstem Krimi.
Böhmischer Prater. Ein Schauplatz in Larchers nächstem Krimi.(c) die Presse (Carolina Frank)
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Im Krimi gibt es selten den geraden Weg zur Lösung eines Falls. Vielleicht ging Daniela Larcher deshalb krumme Wege, um als Alex Beer zur prominenten Krimiautorin zu werden.

Bestsellerlisten anzuschauen vermeidet sie. In ihrem Verlag gibt es eine Autorendatenbank, in die man sich mit Passwort einloggen und die Buchverkäufe tagesaktuell abrufen kann. Alex Beer hat die Zugangsdaten dazu verweigert. Sie würde sonst jeden Tag auf die Site starren und gegebenenfalls emotionale Krisen bekommen. Tatsächlich könnte sie ganz entspannt sogar den Amazon-Verkaufsrang beobachten. Denn inzwischen spielt sie in der obersten Liga der österreichischen Krimiautoren mit und kämpft mit Bernhard Aichner oder Thomas Raab um die Plätze. In die Wiege ist ihr das nicht gelegt worden.

Wäre es nach ihrer Mutter gegangen, hätte die 1977 in Bregenz geborene und in Lustenau unter dem bürgerlichen Namen Daniela Larcher aufgewachsene Autorin etwas „G’höriges“ lernen sollen, etwa Medizin oder BWL. Sie hat sich aber schon als Volksschülerin mehr für das „ABC für Mini-Detektive“ interessiert, das sie von der Oma geschenkt bekam. Später stürzte sich die Jugendliche auf Agatha-Christie-Krimis, die die Tante aus Wien nach ihren Besuchen zurückließ. Und bald einmal träumte sie davon, Krimiautorin zu werden.

Namensfindung. „Mir ist aber meine Biografie dazwischengekommen“, sagt sie heute augenzwinkernd. Denn Autorin ist in Vorarlberg kein Beruf, zumindest keiner, der auf der Liste der Berufsberater steht. Also setzte sie sich nach der Matura in den Zug nach Wien, um dort Prozess- und Projektmanagement zu studieren. Dabei lernte sie, sich selbst zu organisieren. Das kommt ihr heute als „Buchmanagerin“ zugute. Denn Schreiben, so seufzt sie, wird zu einem immer geringeren Teil ihrer Arbeit. Mehr Zeit muss sie für das Drumherum aufwenden, will sie die Erwartungen ihres Verlages erfüllen: Nach dem großen Erfolg ihres ersten August-Emmerich-Krimis, „Der zweite Reiter“, erscheint im Mai der Nachfolgeband. Nicht auszuschließen, dass die zu Alex Beer mutierte Autorin ihre Verlagsdatenbank wieder sperren lässt.

Warum ein neuer Name? Das kam so: Ihre erste Karriere als Autorin machte Daniela Larcher im Fischer-Verlag mit vier „Cosy-Crime-Geschichten“ – mit einem netten Kommissar und mit Happy End. Das änderte sich, als August Emmerich in ihr Leben trat. Der Chefermittler ihrer neuen Krimireihe ist aus ganz anderem Holz geschnitzt. Auch sind die Geschichten keineswegs mehr freundlich, sondern düster und grausam. Außerdem spielt die Story nun in der Vergangenheit statt in der Gegenwart. Damit wollte sie ihr ursprüngliches Publikum, das sich von „seiner“ Autorin nette „Regio-Krimis“ erwartete, nicht enttäuschen. Und verwandelte sich für ihren historischen Stadtkrimi in Alex Beer. Seither bekommt sie so manche Anfrage mit der Anrede „Lieber Herr Beer“.

„Einen ,Tatort‘ zu  schreiben ist der  Ritterschlag für jeden  Krimiautor.“
„Einen ,Tatort‘ zu schreiben ist der Ritterschlag für jeden Krimiautor.“(c) die Presse (Carolina Frank)

Rückblickend könnte man vielleicht sagen, dass der Autorin ihre Biografie nicht dazwischengekommen ist, sondern sie über verschlungene Pfade zum Ziel geführt hat. Am Anfang stand Unzufriedenheit, sowohl mit ihrem Job als Kontakterin in einer Werbeagentur als auch mit dem Studium, das sie damit finanzierte. „Wenn ich ganz sparsam lebe und kleine Nebenjobs mache“, so ihr Ausweg, „dann kann ich Archäologie studieren“. Spezialgebiet: Mittelalter. Die Katakomben von Wien stammen aber aus römischer Zeit. Was neuerlich zu einer Ernüchterung führte: „Da wird man dann zu einem akademischen Bauarbeiter.“ Also beschloss sie erst einmal, hinaus in die weite Welt zu gehen: nach New York zu einem Verlag.

Ein Meilenstein auf ihrem Weg zur Krimiautorin war die Arbeit an einem Projekt namens „Necro Serv“. Da haben sich emeritierte Professoren, von Biologen über An­­thropologen bis zu Archäologen, zusammengetan, um verschwundene Leichen – mutmaßlich von Ermordeten – ausfindig zu machen. Luftbildarchäologen liefern Aufnahmen, die Veränderungen in der Landschaft aufzeigen. Biologen bemerken an bestimmten Stellen etwa, dass das Gras nicht so hoch steht wie in der Umgebung oder besonders viele Schmetterlinge einer bestimmten Art vorkommen.

Strategische Planung. Die Wahrscheinlichkeit, an solchen Orten mit Magnetresonanzgeräten Ungewöhnliches zu finden, ist relativ hoch. Bei diesem Projekt lernte Daniela Larcher Indizien zusammenzutragen: unerlässlich für jegliche kriminalistische Arbeit sowie das Schreiben darüber. Ihre Erfahrungen bei diesem Projekt kann sie sicher gut einsetzen, wenn sie im Mai bei der „Achensee Literatour“ mit Leserinnen und Lesern auf „Krimiwanderung“ geht.

Für diese Spurensuche im Gelände schreibt sie extra einen Kurzkrimi. Obwohl „Halbtirolerin“ (vonseiten der Mutter), kennt sie die Gegend dort noch nicht. Sie wird sie bei einem Ausflug erkunden, damit sie dann an bestimmten Stellen auf Indizien aufmerksam machen kann. Am Parkplatz liest sie den Anfang der Geschichte vor. Von dort geht es in den finsteren Wald, „und dann zeige ich, wo man eine Leiche gefunden hat“. Am Ende der Wanderung steht der Besuch in einer Hütte, wo es die Auflösung gibt – sollte der Mörder bis dahin nicht aufgedeckt sein. Inszenierung gehört inzwischen zu ihrer Arbeit. Wie man sich damit auf dem Markt positioniert, hat sie in New York gelernt. Dort kam die große Erleuchtung, sagt sie jetzt. Sie erkannte nämlich, dass in der heutigen Buchbranche nichts mehr dem Zufall überlassen, sondern alles strategisch geplant wird. Diesen Part hat sie allerdings einem Literaturagenten anvertraut.

Was ihr am Krimischreiben am meisten Spaß macht, ist nämlich die Recherche. Da sitzt sie wochenlang täglich in der Nationalbibliothek und liest. In ihrem penibel recherchierten historischen Krimi „Der zweite Reiter“ wird man deshalb kaum einen Anachronismus finden. Auf einen kleinen ist sie selbst draufgekommen: Spanplatten gibt es erst seit den 1930er-Jahren, nicht schon nach dem Ersten Weltkrieg, nach dessen Ende ihr Buch spielt. Ob sie sich vorstellen könnte, auch einen „Tatort“ zu schreiben? „Absolut. Das ist der Ritterschlag für jeden Krimiautor. Die eigene Idee auf dem Bildschirm zu sehen, das wäre ein großer Traum.“ Zuzutrauen wär’s ihr. Wäre August Emmerich eine Gegenwartsfigur, er würde gut in die Riege der „kaputten“ Ermittler mit desolatem Privatleben passen.

Tipp

Veranstaltungstipp: Vom 10. bis 13. Mai findet zum siebenten Mal die „Achensee Literatour“ rund um Tirols größten See statt. Mit Lesungen von Bernhard Aichner, Alex Beer und Thomas Raab bildet die Kriminalliteratur einen Schwerpunkt des Festivals. Höhepunkt der Veranstaltung ist die „Krimiwanderung“ mit Daniela Larcher: Treffpunkt am Sonntag, dem 13. Mai, um 10 Uhr am Parkplatz, Krimiwanderung am Dien-Mut-Weg und anschließende Lesung auf der Rodlhütte.
www.achensee.com

("Die Presse", Kulturmagazin, 13.04.2018)

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