Buh-Rufe für "Jud Süß"-Film mit Tobias Moretti

''Jud Süß - Film ohne Gewissen'': Mit Moritz Bleibtreu, Tobias Moretti und Martina Gedeck
''Jud Süß - Film ohne Gewissen'': Mit Moritz Bleibtreu, Tobias Moretti und Martina Gedeck(c) Berlinale
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Oskar Roehlers Berlinale-Beitrag "Jud Süß - Film ohne Gewissen" stößt noch vor der Premiere auf breite Ablehnung. Er erntete Buh-Rufe bei der Pressevorfühung. Manche sehen gar den Ruf des Filmfestivals in Gefahr.

Der dritte Wettbewerbsbeitrag mit österreichischer Beteiligung stößt bei einer ersten Pressevorführung auf der Berlinale auf breite Ablehnung: Oskar Roehlers "Jud Süß - Film ohne Gewissen" mit Tobias Moretti, Moritz Bleibtreu und Martina Gedeck arbeitet die Entstehung des Nazi-Propagandafilmes "Jud Süß" aus dem Jahr 1940 auf. Bei der ersten Pressevorführung blieb der Film weit hinter den Erwartungen zurück und erntete laute Buh-Rufe.

Entsetztes Lachen und Sätze wie "Mit einem solchen Film im Wettbewerb riskiert das Festival seinen guten Ruf" waren die Reaktionen einiger Zuschauer. Schon während des Films sorgten einzelne Szenen für Unmutsäußerungen.

Der Propagandafilm der Nazis

"Jud Süß - Film ohne Gewissen" feiert am Abend im Berlinale-Palast seine offizielle Weltpremiere. Er stellt den Hauptdarsteller aus dem NS-Film, Ferdinand Marian (Moretti) in den Mittelpunkt. Bleibtreu spielt den NS-Propagandaminister Joseph Goebbels.

Veit Harlans Film "Jud Süß" von 1940, gedreht im Auftrag der Nazis, handelt von der historischen Figur des Joseph Süß Oppenheimer, einem jüdischen Finanzbeamten, der 1738 hingerichtet wurde. Goebbels hielt in seinem Tagebuch fest, dass er "der erste wirklich antisemitische Film" sei.

"Hätte ich keinen Spielfilm gemacht"

Der Wissenschaftler Friedrich Knilli hat "Jud Süß - Film ohne Gewissen"-Regisseur Roehler Geschichtsfälschung vorgeworfen. So werden der Frau des Schauspielers Marian etwa jüdische Wurzeln angedichtet, die sie nicht hatte.

''Jud Süß'' bei der Berlinale: Moritz Bleibtreu als Joseph Goebbels
''Jud Süß'' bei der Berlinale: Moritz Bleibtreu als Joseph Goebbels(c) Berlinale

"Hätte ich einen Dokumentarfilm machen wollen, hätte ich keinen Spielfilm gemacht", wischte Roehler Bedenken hinsichtlich Geschichtsverfälschung bei der Berlinale-Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag vom Tisch. Und Bleibtreu ergänzte, dass man zwar in der "Verantwortung dieser Zeit" stehe: "Aber jede Art von Spielfilm muss sich auch das Recht nehmen, Fiktion sein zu dürfen."

Mischung aus Melodram und Satire irritiert

Für Irritation sorgte der satirische Einschlag des Films, der dem Melodram den Ernst nimmt, wie bei Bleibtreus Darstellung des NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. "Der Typ ist Satire, der ist aus heutiger Sicht schon irgendwie ein Clown", so Bleibtreu, "und an diesem Clownesken habe ich mich orientiert."

Tobias Moretti, der als verführter Schauspieler Ferdinand Marian die Hauptrolle übernahm, sieht das Grundmotiv als "Thematik Nummer eins bis heute: die Verführbarkeit von einem selber". Der Film sei eine "ständige Reflexion über die Manipulation unseres Mediums".

"Drittes Reich von anderer Seite beleuchtet"

Das Melodram von Roehler sollte in erster Linie das "Drama eines Menschen" zeigen, sagte Roehler, "und dem Zuschauer auch nahe bringen, was für eine Wirkung, welchen Effekt der Originalfilm hatte und wie der aufgebaut war." Wichtig finde er auch, dass das Dritte Reich einmal von anderer Seite beleuchtet werde. "Der Film spielt in den Salons der Nazis", so Roehler, und man sehe, dass "der Druck auf Personen, die man noch brauchte, dort wesentlich subtiler vonstatten ging".

(APA/Red.)

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