Junge Forschung

Pharaonennamen in neuem Licht

Die meisten Texte gibt es als Fotos oder Zeichnungen. Roman Gundacker fährt nur nach Ägypten, wenn es einen Mehrwert für die Forschung verspricht.
Die meisten Texte gibt es als Fotos oder Zeichnungen. Roman Gundacker fährt nur nach Ägypten, wenn es einen Mehrwert für die Forschung verspricht.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Der Ägyptologe Roman Gundacker arbeitet an einer Neuinterpretation der Königsliste der Pharaonen von der I. Dynastie bis zum Anbruch der griechisch-römischen Epoche.

Tausende Inschriften auf unterschiedlichen Materialien wird der Ägyptologe Roman Gundacker gemeinsam mit einem Forscherteam in den nächsten fünf Jahren überprüfen und gegebenenfalls neu auswerten. Das EU-Projekt „Challenging Time(s)“, das er leitet, hat eine Vervollständigung und Neuinterpretation der Liste der ägyptischen Pharaonen zum Ziel. Ein Mammutprojekt, denn taucht während der Zeit ein neuer Papyrus auf oder gibt es neue archäologische Funde, muss unter Umständen revidiert werden. So hat man etwa 2013 im Wadi al-Garf am Roten Meer einen Hafen aus der Zeit Cheops' entdeckt. Das Tagebuch eines hohen Beamten wurde gefunden, das zusätzliche Regierungsjahre des Königs belegt. Dessen Regierung dauerte drei bis fünf Jahre länger, als man angenommen hatte, „wenn das mit zehn, 15 Königen passiert, dann hat man ein gutes halbes Jahrhundert mehr“, erklärt der Forscher.

Wettlauf der Geschichtsüberlieferer

Neben den zeitgenössischen Quellen sind die Königslisten eine wichtige Quelle. Die Ägypter selbst hatten ein großes Interesse an ihrer Geschichte; an großen Kultorten und Königsresidenzen wurden Annalen und Chroniken geführt. Erste ausführliche Listen wurden mit dem Turiner Königspapyrus gefunden, der im 13.Jh. v. Chr. geschrieben wurde. Eine umfassende Chronik Ägyptens erstellte ca. 250 v. Chr. Manetho – auf ihn geht u. a. die Gliederung in 31 Dynastien zurück. Texte überliefern, der Priester hätte von einem der ersten Ptolemäerkönige den Auftrag bekommen, für den Kronprinzen eine Geschichte des Landes zu verfassen.

Manethos Liste war nicht frei von ideologischer Absicht, denn Berossus schrieb zeitgleich im Konkurrenzimperium der Seleukiden ein vergleichbares Werk über die mesopotamischen Könige. „Eine Art Wettlauf ist entstanden, wer hat die längste Tradition, die ersten Könige, immer besetzt mit politischen, religiösen und kulturellen Interessen“, sagt Gundacker, den Geschichte schon besonders interessiert hat, und als Jugendlicher die Ägyptologie.

Manetho berücksichtigte auch griechische Schriften, von Herodot etwa. Sein Werk ist eine Mischung aus Liste und Fließtext, das Königsnamen, Ereignisse aus Regierungsjahren und Regierungslängen enthält. Von diesem ursprünglichen Text liegen nur zwei Passagen vor, aber „es wurde zu einem nicht sicher feststellbaren Zeitpunkt eine Liste herausgeschrieben, in der nur noch Königsnamen, Regierungslängen und vereinzelt herausragende Ereignisse stehen.

Aus dieser „Epitome“ haben christliche Chronografen geschöpft, die das Alter der Welt berechnen oder die Chronologie des Alten Testamentes mit der restlichen Weltgeschichte, wie sie damals vorlag, in Einklang bringen wollten. „Diese Werke wiederum sind in Zitaten überliefert, wir haben also eine komplizierte Überlieferungsgeschichte mit den üblichen Abschreib- und Quellenfehlern“, sagt Gundacker.

Dazu kommt, dass Manetho die Namen so geschrieben hat, wie sie zu seiner Zeit ausgesprochen wurden. Das ist nicht unbedingt deckungsgleich mit den Königsnamen, wie sie heute anhand der Konsonanten aus der ägyptischen Schrift, die die Vokale ausspart, wissenschaftlich transkribiert werden. Die hieroglyphisch bezeugten Namen Manethos mit 1000 oder auch 2000 Jahre jüngeren griechischen Formen gleichzusetzen birgt ein großes Fehlerpotenzial. Die Forscher suchen nach unabhängigen Wiedergaben (Keilschrift, Hebräisch, Griechisch) ägyptischer Wörter, um eine Revokalisation durchzuführen. Dazu müssen die Lautverschiebungen, die durch die Jahrtausende gewirkt haben, berücksichtigt werden. Dann kann man den Namen, wie er im dritten Jh. v. Chr. gelautet haben müsste, rekonstruieren und vergleichen, ob er dem nahekommt, was bei Manetho verzeichnet ist.

„Wenn man das macht, ergeben sich gegenüber der bisherigen Pi-mal-Daumen-Identifikation anhand der Konsonanten erhebliche Fortschritte“, so der Forscher. Er weilt selbst selten in Ägypten: „Viele Texte sind fotografisch und zeichnerisch publiziert. Nur wenn der Verdacht besteht, dass bei Steininschriften durch andere Lichtverhältnisse mehr rauszuholen ist, wäre eine Inaugenscheinnahme vor Ort notwendig.“

ZUR PERSON

Roman Gundacker (36), geboren im Waldviertel, promovierte 2011 in Ägyptologie an der Uni Wien. Er ist Principal Investigator im vom Europäischen Forschungsrat finanzierten ERC-Starting Grant „Challenging Time(s): A New Approach to Written Sources for Ancient Egyptian Chronology“ am Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.