Sarkissian tritt wegen Protesten als armenischer Premier zurück

Der Sprung vom Präsidenten-Amt ins Ministerpräsidenten-Amt ist Sarkissian schließlich doch misslungen.
Der Sprung vom Präsidenten-Amt ins Ministerpräsidenten-Amt ist Sarkissian schließlich doch misslungen.REUTERS
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Sarkissian war jahrelang Präsident von Armenien und ließ per Verfassungsänderung Vollmachten auf das Ministerpräsidenten-Amt übertragen. Doch der Protest war zu groß.

Nach heftigen Protesten gegen ihn trat der armenische Premierminister Sersch Sarkissian am Montagnachmittag zurück. Dieser war nach zehn Jahren als Präsident vergangene Woche vom Parlament zum Regierungschef des engen Russland-Verbündeten gewählt worden. Im Vorfeld waren per Verfassungsänderung viele Vollmachten vom Präsidenten auf den Ministerpräsidenten übertragen worden. Sarkissians Gegner werfen ihm vor, an der Macht festzuklammern. Er selbst sagt, Armenien sei auf ihm angewiesen.

Die Kundgebungen vor allem junger Demonstranten in vielen Städten der Ex-Sowjetrepublik im Südkaukasus hatten am Montag angedauert. Erneut zogen Tausende Studenten ins Zentrum von Eriwan. An vielen Stellen blockierten sie friedlich den Verkehr. Die Polizei nahm etwa 60 von ihnen fest.

Die Protestwelle ist die größte in einer Ex-Sowjetrepublik seit der pro-europäischen Maidan-Bewegung in der Ukraine 2013/14. Für Dienstag hatte die Opposition besonders große Kundgebungen angekündigt. An dem Tag wird in Armenien traditionell des Massenmords an den Armeniern 1915-17 im Osmanischen Reich gedacht.

Hypopthek Berg-Karabach

Sarkissian stammt wie andere führende armenische Politiker aus dem völkerrechtlich eigentlich zu Aserbaidschan gehörenden Gebiet Berg-Karabach. Er hat im Krieg um diese Region von 1992 bis 1994 Karriere gemacht. Truppen der Armenier halten seitdem Berg-Karabach und Teile Aserbaidschans besetzt. Doch der Dauerkonflikt ist auch eine schwere Bürde für das kleine Land mit nur knapp drei Millionen Einwohnern. Mit seinen Nachbarn Aserbaidschan und Türkei verfeindet, lehnt sich Armenien wirtschaftlich und sicherheitspolitisch stark an Russland an, mit dem es aber keine direkte Grenze hat.

Zuvor hatte sich die Lage in der Hauptstadt Eriwan zugespitzt. Eine Gruppe armenischer Soldaten hat sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums am Montag den Anti-Regierungsprotesten in der Hauptstadt Eriwan angeschlossen. Der Protest sei illegal, erklärte das Ministerium. Die Soldaten würden hart bestraft. Live-Übertragungen im Internet zeigten Bilder, auf denen Hunderte Männer in Militäruniformen unter den Demonstranten zu sehen waren.

Schon am Sonntag waren Zehntausende durch Eriwans Straßen gezogen. Etwa 280 Demonstranten wurden festgenommen, wie Interfax unter Berufung auf die Polizei meldete. Auch drei führende Oppositionspolitiker kamen demnach in Gewahrsam. Die EU forderte eine friedliche Lösung des Konflikts. Mit dem Rücktritt Sarkissians dürfte ein Schritt in diese Richtung getan sein.

(APA)

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