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Leitartikel

Kurz und Strache wollen es nun wirklich vor dem Sommer wissen

(c) APA/HANS PUNZ
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Nach den Landtagswahlen präsentiert die Regierung tatsächlich konkrete Reformpläne. Ihre Umsetzung entscheidet über Erfolg und Misserfolg 2018.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Spricht man dieser Tage mit an sich klugen Menschen mehr oder weniger links der Mitte, hört man immer wieder den als Frage oder Analyse formulierten Wunsch, die Regierung aus ÖVP und FPÖ möge oder werde doch bestimmt bald scheitern. Immerhin: Die meisten Beobachter sind intelligent genug, nicht auf die etwaige Stärke – im Konkreten wäre das auch einigermaßen absurd – von Oppositionschef Christian Kern und seiner Partei zu setzen, denn auf eine mögliche Spaltung der Regierung und beider Parteien.

Immer wieder wird da die Sehnsucht nach einem Knittelfeld 4.0 ausgedrückt. Wir erinnern uns: Eine als Juniorpartner der ÖVP personell schlecht aufgestellte FPÖ zelebrierte in einem Sonderparteitag ihre Spaltung in Regierungstauben und Oppositionsfalken. Die Partei implodierte, Jörg Haider zog sich endgültig ins Kärntner Exil zurück, eine schnell erfundene Partei hatte noch ein paar Jahre, die alte blaue FPÖ wurde als Konkursmasse von Heinz-Christian Strache wiederbelebt. Die Idee, dergleichen könnte sich bald wiederholen, entzückt viele im Land. Es bleibt nur vorerst ein naiver Wunschtraum.

Österreich ist seither nach rechts gerückt, Kurz hat die Wahl in der Urne und nicht in den Regierungsverhandlungen gewonnen. Und: Der Chef des Koalitionspartners FPÖ sitzt als Vizekanzler in der Regierung und nicht im Bärental. Zudem schreiben wir erst 100 Tage und ein paar zerquetschte.

Vier Landtagswahlen sind geschlagen, aus unterschiedlichen Gründen haben beide Regierungsparteien immer ein Plus feiern können. Anders könnte das erst nach der Gemeinderatswahl in der Heimatstadt von Strache werden. Dort startet die FPÖ auf hohem Niveau, die ÖVP ist am Sand, legt nur Letztere zu, dürften die Blauen ungemütlich werden.

Aber bis es so weit ist, können ÖVP und FPÖ eben die erzielten kleinen und großen Wahlerfolge, das solide Wirtschaftswachstum und den schönen Frühling genießen. Und die Nichtexistenz linker Opposition. Das bietet die ideale Zeit, um komplexe, aber notwendige Reformen zu planen, zu beschließen und umzusetzen. Dass es umfassenden Bedarf an ebensolchen gibt, weiß jeder mündige Medienkonsument. Veränderung von Strukturen und Organisationen ist eine logische Folge der sich ständig weiterentwickelnden Technik, des zu Verfügung stehenden Finanzrahmens, des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes mit vielen anderen Ländern auf diesem Planeten und nicht zuletzt der sich ändernden Rahmenbedingungen wie der Migration nach Europa.

An dieser und anderer Stelle dieser Zeitung war immer wieder die Forderung erhoben worden, dass nach den Landtagswahlen endlich echte Reformen der neuen türkis-blauen Regierung folgen müssten. Fast ein bisschen überrascht konstatieren wir bereits heute, dass solche nun zumindest angekündigt werden – und zwar fast einigermaßen konkret.

Sogar Strache klang vom Mut über den eigenen Zeitplan überrascht, schon im Mai ein konkretes Modell einer Neustrukturierung und Reduktion aller staatlich mitfinanzierten oder -organisierten Kassen von 21 auf fünf Stück vorzulegen. Der bisherige Widerstand der Länder ist enorm, sie fürchten um ihren Einfluss. (Was bei sparsamen Ländern durchaus verständlich sein mag.)

Auch beim leidigen Thema Vereinheitlichung der Mindestsicherung will vor allem Kurz den Ländern einen Teil der Autonomie abnehmen: Die Regierung will nicht warten, bis die Sozialreferenten der Länder Ende Juni Reformvorschläge vorlegen, sondern selbst mit 1. Juni oder vorher einen Begutachtungsentwurf präsentieren. Die Länder könnten sich dann ja im Rahmen der Begutachtung noch einbringen, argumentieren Kurz und Strache. Das mag für manchen Landeschef eine Kriegserklärung sein. Drittes Projekt bis zum Sommer ist eine Verwaltungsreform, bei der etwa manche Berichts- und Meldepflichten verschwinden sollen.

Das ist zum Teil mehr, als die Regierung bisher wagte. Sollten die Länder das alles nur blockieren, steht eines fest: Rückenwind bei Wahlen wird es dann von der Bundesregierung nicht mehr geben. Die wäre dann geschwächt.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2018)