Wie österreichische Politiker Englisch sprechen

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Ohne Englisch geht es nicht im internationalen Kreis - oder doch? Österreichs Regierung müht sich, Faymann nimmt sogar Stunden. Blamieren wie der Deutsche Oettinger will man sich nicht.

Immerhin, der Herr EU-Kommissar ist lernfähig und sogar lernwillig: Er wolle sein Englisch verbessern, sagte der neue Industriekommissar Günther Oettinger umgehend, nachdem er sich auf Brüsseler Boden mit miserablem Englisch und katastrophaler Aussprache blamiert hatte. Den TV-Entertainer Harald Schmidt inspirierte Oettinger zu einer Parodie, Schmidt präsentierte in seiner Show auf ARD „Der kleine Oettinger – English for Öhrop (Europe)“: ein Wörterbuch, das statt Oxford-Englisch eben das moderne „Oettinger Englisch“ mit schwäbischer Note vermittelt. Lernen, lernen, lernen, schloss aus der breiten öffentlichen Schelte flugs der neue Kommissar.

Doch wie wichtig ist Englisch überhaupt für Politiker? Müssen sich auch die Österreicher „ranhalten“? Der neue EU-Regionalkommissar Johannes Hahn (ÖVP) wollte bei seinem Hearing im EU-Parlament lieber nichts riskieren und setzte bei seinem Test durch die Abgeordneten zu 100 Prozent auf Deutsch. Übersetzung war ja garantiert und, so die offizielle Begründung, Deutsch als EU-Amtssprache müsse gefördert werden. Dabei kann sich Hahn auch auf Englisch verständigen. Allerdings mehr schlecht als recht, wie Kritiker meinen.

Bei Verhandlungen mit seinen 26 Kommissarskollegen, sonstigen Politikern und Experten wird Hahn aber immer wieder beweisen müssen, dass er die eigentliche Lingua franca in Brüssel, Englisch also, beherrscht. Das gilt auch für Österreichs Vertreter im EU-Parlament. Dort geht unter anderem der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas mit gutem Beispiel voran: Englisch kann er, selbst wenn seine Aussprache sehr „niederösterreichisch“ ist. Andere, wie die Ex-ÖVP-Abgeordnete Agnes Schierhuber, hatten schon mehr Mühe, sich „in English“ zu verständigen.


Lernen mit dem Native Speaker. Im EU-Rat der Minister und Regierungschefs bieten die Österreicher eine mäßige Performance. Auf sein Englisch angesprochen, soll Kanzler Werner Faymann (SPÖ) zu Beginn seiner Amtszeit Ende 2008 „not amused“ reagiert haben. Und auf Ö3 in „Frühstück bei mir“ blieb er einmal die Antwort auf die Frage schuldig, was denn „Budgetdefizit“ auf Englisch heiße – „budget deficit“ nämlich.

Detailverhandlungen mit internationalen Partnern führe Faymann lieber auf Deutsch und mit Dolmetscher, erklärt ein Sprecher des Kanzlers. Immerhin gehe es oft um „heikle Dinge, da macht das jeder so“. Für sonstige Absprachen auf Englisch sei Faymann aber „fit“. Denn er habe die Notwendigkeit für fließendes Englisch erkannt und trainiere nun regelmäßig mit einem Native Speaker. Geübt würden mit dem Muttersprachler realistische Situationen, also politische „talks“.

Erst in der Vorwoche, beim Besuch von „EU-Außenministerin“ Lady Catherine Asthon in Wien, habe sich das wieder bezahlt gemacht. Faymann habe das Vieraugengespräch ohne Anstrengung bewältigt, so sein Sprecher, die Themen hätten vom Balkan bis zur Energiesicherheit gereicht.

Mit seinem Verbündeten im Kreis der Europäischen Sozialdemokraten, José Zapatero, hätte Faymann auf Englisch hingegen Mühe, Zapatero spricht nämlich nur Spanisch. Zu den größten Englisch-Kennern und -Könnern unter Europas (Ex-)Regierungschefs zählen im Gegensatz zu den Südländern die Schweden oder Finnen. Für sie ist eine Konversation auf Englisch längst gang und gäbe. Ihre Kultur mit viel Englisch in der Ausbildung, aber zum Beispiel auch im Fernsehen, hilft.

Zumindest das gleiche Englisch-Niveau wie der Kanzler hat Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), auch er hat geübt. In Brüssel oder Luxemburg hat er auch schon einigermaßen locker über das Bankgeheimnis parliert – „in English“. Auch Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) gilt als einer, der englische Diskussionen bewältigen kann – obwohl er nicht gerade „Musterschüler“ in diesem Bereich ist, wie übrigens die meisten Mitglieder der jetzigen Regierung. Zu den Nachzüglern zählen dem Vernehmen nach Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) oder Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Mitterlehners Sprecher betont allerdings, sein Chef spreche gutes Englisch.


Im Schatten früherer Kabinette. Fest steht: Seinem Vorgänger, Martin Bartenstein (ÖVP), kann Mitterlehner mit seinem Englisch nicht das Wasser reichen. Bartenstein gilt freilich als Mann des besonders gehobenen und geschliffenen Englisch. Wobei die Vorgängerregierungen mit ihren Fremdsprachenkenntnissen insgesamt besser „aufgestellt“ waren – von den Altkanzlern Alfred Gusenbauer (SPÖ), der inzwischen auf Englisch an US-Elitunis lehrt, und Englisch-Fanatiker Wolfgang Schüssel (ÖVP) abwärts.

Höchst gewandt in gleich mehreren Sprachen ist Ex-EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP). Sie verhandelte schon in aller Welt fast akzentfrei auf Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch. Auch bei ihrem Hearing im EU-Parlament 2004 hatte sie sich multilingual präsentiert. Und davor, als österreichische Präsidentschaftskandidatin, hatte sie auf Plakaten geworben: „Die Erste, die mit 101 Staatschefs in deren Sprache spricht.“ Denn Ferrero versteht auch Portugiesisch und Katalanisch.

Amtsinhaber Heinz Fischer (SPÖ) hält es vor allem mit Englisch, das er sehr sicher spricht. Seine Französischkenntnisse hingegen sind rudimentär.


Vorreiter in der Wirtschaft. Dabei sind nicht nur gutes Englisch, sondern auch weitere Fremdsprachen immer gefragter. In der Politik – und umso mehr in der Wirtschaft, die Manager erweisen sich diesbezüglich als Avantgarde. Kein Zufall also, dass die frühere Bankenmanagerin, Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), zu den Regierungsmitgliedern mit den besten Fremdsprachenkenntnissen zählt.

Studien sprechen jedenfalls eine unmissverständliche Sprache: In 57 Prozent der heimischen Betriebe glaubt man, Englisch werde noch wichtiger, für ein Fünftel der Befragten ist es Italienisch, gefolgt von Tschechisch, Ungarisch und Russisch, wie das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft 2006 feststellte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2010)

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