Herr Petzner, so viel Zeit muss sein!

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Über die Bedeutung der Anrede "Herr", die ja nicht unbedingt freundschaftlich gemeint sein muss - wie es bei "Herr Schalko", ääääh der Fall ist.

Auftragsarbeiten haben immer einen schalen Beigeschmack, schließlich nehmen sie der Kreativität den anstoßenden Impuls. Doch als kürzlich eine Kollegin anregte, ich möge doch über die missbräuchliche Verwendung der Anrede „Herr“ anstelle des Vornamens schreiben, konnte ich mich dem doch nicht entziehen. „Die Anrede Herr“, meinte sie, „wird nämlich von rechtskonservativen Medien oder Politikern gerne abwertend gebraucht.“ Als „bewusste Entmenschlichung“ bezeichnete sie das. So wie BZÖ-Ikone Stefan Petzner seinen Schattenbiografen als „Herr Schalko“ bezeichnete – oder die „Kronen Zeitung“ in den Achtzigern verächtlich dem „Herrn Bernhard“ seinen Thomas vorenthielt.

Nun, da ist schon etwas dran. Und doch muss man es etwas differenzierter betrachten, wollen wir für den Herrn eine kleine Ehrenrettung vornehmen. Schließlich gibt es auch den Fall, in dem bei der Anrede gar kein Name angefügt wird – „Herr, äääh“ ruft man etwa Menschen nach, deren Namen man gerade nicht vorrätig hat – voll der Hoffnung, dass der Angesprochene darauf reagiert. Kauzig ja, abwertend nein. Oder? Und was ist mit „Oh Herr“, das man bei so manchem Gebet vernimmt, ohne dass gleich ein „Herr Gott“ daraus würde – von einer Nennung des Vornamens ganz zu schweigen.

Außerdem, was wäre die Alternative? „Schalko soll sich schämen“ wäre zwar eine hübsche Alliteration, doch am feindseligen Charakter der Petzner'schen Rede würde sich kaum etwas ändern. Und schließlich: In der direkten Anrede lege ich eher das bloße Verwenden des Nachnamens ohne Anrede als abwertend aus. Wer mir also, um meine Aufmerksamkeit zu erheischen, ein „Kocina“ nachbrüllt, hat schon verloren. „HERR Kocina“, heißt das, „so viel Zeit muss sein!“


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2010)

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