Im Euroraum droht „Kreditklemme“

Mangel an Investitionskapital könnte den Aufschwung wieder abwürgen.

wien/Frankfurt (ju/ag). Die „monetäre Kontraktion“, die der Währungsexperte Polleit (siehe obenstehendes Interview) kurzfristig befürchtet, ist offenbar gerade in Gang: Nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die Geldmenge im Jänner zwar ganz leicht gestiegen, die Kreditvergabe der Banken ist in den 16 Euroländern aber überraschend stark zurückgegangen. Die Summe der an Unternehmen und Private gewährten Kredite ist demnach im Jänner um 0,6 Prozent zurückgegangen, nachdem sie im Dezember noch stagniert hatte. Analysten hatten mit einem Minus von 0,2 Prozent gerechnet. In Deutschland warnte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, dass es noch in diesem Jahr zu einer echten Kreditklemme kommen könnte. Die Unternehmenskredite seien in der Bundesrepublik schon seit fünf Monaten in Folge rückläufig. Experten meinen, dass es spätestens im Herbst zu ernsten Kreditverknappungen kommen könnte, wenn die Nachfrage der Wirtschaft nach Investitionsgeld anspringt.

Nachfrage noch gedämpft

Derzeit ist die Nachfrage nach Darlehen allerdings noch gedämpft. Wenn aber eine größere Zahl von Unternehmen Probleme bei der Geldbeschaffung bekomme, dann könnte der prophezeite, ohnehin zögerliche Aufschwung ins Stocken kommen, befürchten Experten.

Auslöser einer größeren Kreditklemme könnte aber nicht nur die gesteigerte Nachfrage, sondern auch die nach wie vor schwierige Situation der Geschäftsbanken sein. In vielen Bankbilanzen schlummern noch „toxische Papiere“ vor sich hin, und die Griechenland-Krise dürfte auch noch tiefere Spuren hinterlassen. Im Verein mit deutlich verschärften Eigenkapitalregeln und hohen Kreditabschreibungen könnten sich die Banken gezwungen sehen, bei der Kreditvergabe noch fester auf die Bremse zu steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2010)

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