Angesichts eines “beispiellos repressiven gesetzlichen Umfeldes“ verlässt die Stiftung des US-Milliardärs George Soros Budapest und übersiedelt bis Sommer nach Berlin.
Die „Open Society Foundations" (OSF), die umstrittene philantropische Stiftungsgruppe des aus Ungarn stammenden US-Milliardärs George Soros, wird die Operationen ihrer Stiftungseinrichtung in Ungarn infolge politischen Drucks von Budapest nach Berlin verlagern. Das wurde am Montag seitens OSF bekanntgegeben.
Bereits vor etwa einem Monat hatte die „Presse" exklusiv über den möglichen Abzug der Foundation aus Budapest berichtet, es war damals aber noch nicht als definitive Entscheidung bestätigt worden.
Stiftungschef Patrick Gaspard gab als Begründung an, man könne „die Sicherheit unserer Operationen und unserer Mitarbeiter vor willkürlichen Eingriffen der Regierung" in Ungarn nicht länger gewährleisten. Das legislative Umfeld werde „immer repressiver" und sei „ohne Beispiel in der Europäischen Union".
Übersiedlung bis August
OSF-Sprecher Daniel Makkonen sagte der "Presse", der Umzug werde bis August abgeschlossen sein. Alle Mitarbeiter – rund 100 – erhielten die Wahl, mitzugehen, und viele wollten das auch tun.

Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán hatte im vergangenen Jahr „aus dem Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen" dazu verpflichtet, Geldspenden aus dem Ausland speziell auszuweisen. Das war zunächst eher ein Kunstgriff der politischen Kommunikation, um diese NGOs öffentlich als „ausländisch finanziert" an den Pranger zu stellen. Die Meldepflicht selbst hatte sowieso bereits bestanden und war von den betreffenden Organisationen auch penibel eingehalten worden. Den Rückzug der OSF bezeichnete man in Orbáns Fidesz-Partei als "Flucht vor der Transparenz".
"Stop Soros"-Gesetzespaket
Als eines der ersten Gesetzesvorhaben nach seinem überwältigenden Wahlsieg im April wollte Orbán ein sogenanntes „Stop Soros"-Gesetzespaket durchs Parlament bringen, in dem seine Regierungspartei seit der Wahl am 8. April eine Zweidrittelmehrheit hat. Der Entwurf – der noch geändert werden kann – sieht unter anderem eine geheimdienstliche Durchleuchtung solcher NGOs und ihrer führenden Mitarbeiter vor, die angeblich „Migration fördern" wollten und/oder sich für Asylsuchende, Flüchtlinge und illegale Migranten einsetzen.
Orbán hatte im Wahlkampf von „2000 Soros-Söldnern" in Ungarn gesprochen, deren Ziel es sei, „gegen die Regierung zu kämpfen". Überhaupt wollten der jüdischstämmige Milliardär (87) sowie von ihm unterstützte NGOs Ungarn, ja ganz Europa vorsätzlich mit Millionen Migranten "fluten", hieß und heißt es noch immer. Das regierungsnahe Magazin „Figyelö" veröffentlichte in diesem Sinne mehrere hundert Namen unter dem Titel „Die Leute des Spekulanten". Die Liste enthielt Ex-Minister (darunter Attila Chikán, Minister der ersten Orbán-Regierung 1998), Journalisten, Hochschullehrer der von Soros gegründeten Central European University (CEU) und viele Mitarbeiter der von Soros finanzierten Menschenrechtsorganisationen.
Die Linke in der Defensive
Nun gingen regierungsnahe Medien in den vergangenen Wochen auch immer stärker dazu über, Soros und von ihm finanzierte Gruppen der „Beeinflussung der Politik" zu bezichtigen, obwohl niemand sie gewählt habe. Damit wurde das Ziel der Strategie deutlich: Orbán will das politisch einflussreiche Zusammenspiel linker und liberaler NGOs und ihrer Kontakte und Auftritte in linksliberalen Medien einhegen. Wenn etwa eine von Soros finanzierte Antikorruptionsorganisation einen Skandal aufdeckte und das prominent in regierungskritischen Medien publiziert wurde, dann empfand Orbán dieses Einwirken auf die öffentliche Meinung als Versuch, seinen eigenen Handlungsspielraum einzuengen.
Nicht nur in Ungarn, im gesamten früheren Ostblock bemühen sich Regierungen, von Soros geförderte Organisationen zu schwächen. Im Ostblock hatte er einst auch seine Aktivitäten begonnen, in Ungarn bereits 1984. Das spielte durchaus eine Rolle beim Zusammenbruch des Kommunismus. Dass man den Milliardär heute gerade dort als Feind empfindet, zeugt davon, wie viel sich seit der Wende 1989 geändert hat.
Zweigstelle für Soros-Uni in Wien
Offen bleibt indes, wie es für die CEU weitergehen soll, deren Lehrer mittlerweile ja auch als „Soros-Söldner" inkriminiert werden. Auch hier hat die Regierung mit neuen rechtlichen Anforderungen die Existenzgrundlage der Uni in Frage gestellt. Sie will daher 2019 vorerst eine Zweigstelle in Wien eröffnen. Sollte die Regierung Ungarns den weiteren Betrieb der Universität in Budapest nicht genehmigen, würden die Studenten sich in der Wiener Zweigstelle immatrikulieren müssen, aber die reine Infrastruktur in Budapest – etwa die Labore, die Bibliothek – vorerst weiterhin nutzen können.