Zu viel Geld für Bezieher von Sozialhilfe, zu wenig Anreiz fürs Arbeiten? In Deutschland tobt der Streit um Hartz-IV-Hilfe für Langzeitarbeitslose, in Österreich winkt der Ausbau durch die Mindestsicherung ab September.
Österreich ist anders. Ab 1.September 2010 wird das unterste soziale Netz für Arbeitslose und Menschen mit niedrigem Einkommen durch die Mindestsicherung von 744 Euro netto im Monat verstärkt. Erwartete Mehrkosten: 120 bis 140 Millionen Euro. Trotz massiver Budgetprobleme wird die Umsetzung nicht ernsthaft infrage gestellt. Nur der Zeitplan könnte noch in Gefahr geraten, weil neben einem Parlaments- neun Landtagsbeschlüsse notwendig sind.
In Deutschland liegen sich hingegen wegen der Hartz-IV-Unterstützung für Langzeitarbeitslose die Koalitionspartner CDU/CSU und die FPD in den Haaren. Dort tobt eine Auseinandersetzung, welche Auflagen für die Annahme von Arbeit es geben soll.
Keine Rückzahlung mehr
Auch hierzulande ist die Auszahlung der Mindestsicherung, mit der die länderweise unterschiedliche Sozialhilfe (siehe Grafik) vereinheitlicht wird, an die Bedingung geknüpft, Jobs anzunehmen. Um den Anreiz dafür zu erhöhen, kommt im Herbst eine Neuregelung: Bezüge aus einer Beschäftigung müssen im Gegensatz zur Sozialhilfe dann nicht mehr zurückgezahlt werden.
Die Zahl der Sozialhilfebezieher ist auch als Folge der Wirtschaftskrise Ende 2009 auf knapp 100.000 (plus 8,7 Prozent) gestiegen. Mehr geworden sind vor allem jene, bei denen zum Gehalt oder zum Arbeitslosengeld die Differenz zur Sozialhilfe von der öffentlichen Hand aufgestockt wird.
Das Hauptzugeständnis von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) an die Kritiker in der ÖVP war, dass die Mindestsicherung zwölfmal statt, wie ursprünglich geplant, 14-mal ausgezahlt wird. Damit soll signalisiert werden, dass nicht wie bei Aktiven ein 13. und 14. Gehalt bezahlt wird. Vor allem in Wirtschaftskreisen wird gewarnt, dass 744 Euro netto zu viel seien, wenn man bedenke, dass nicht nur Teilzeitkräfte, sondern auch manche Vollzeitbeschäftigte nur auf gut 1000 Euro brutto kämen.
Die Debatte um Hartz-IV-Bezieher in Deutschland wird allerdings ungleich schärfer geführt. Auslöser war vor allem die Aussage von FDP-Chef Guido Westerwelle: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“
Die unterste soziale Absicherung in Österreich und Deutschland ist nur bedingt vergleichbar. Bei der hiesigen Mindestsicherung sind 744 Euro für Alleinstehende vorgesehen (die Länder können freiwillig etwas drauflegen), für Ehepaare und Lebenspartner 1116 Euro, pro Kind 134 Euro. Hartz IV sieht als Existenzsicherung 359 Euro für Alleinstehende vor, je 323 Euro für Verheiratete und bis zu 287 Euro für Kinder. Aber: Der deutsche Staat übernimmt auch die gesamten Wohnkosten, wenn die Wohnung „ortsüblich“ ist.
„Das ist kein Schikanieren“
Ulrich Schuh, Experte am Institut für Höhere Studien, warnt: „Man sollte das Thema nicht allein auf die Höhe der Leistung reduzieren.“ Entscheidend sei, so meint er im Gespräch mit der „Presse“, dass der Sozialleistung eine „Gegenleistung“ des Empfängers gegenüberstehe, dass dieser Jobangebote annimmt. „Das ist kein Schikanieren. Es geht darum, die Arbeitsfähigkeit und -willigkeit aufrechtzuerhalten.“
Sonst hätte die Mindestsicherung vor allem für wenig qualifizierte Arbeitnehmer „negative Effekte“. Das österreichische System trage dem Wunsch nach Verschärfung bereits Rechnung: „Das ist keine Transferleistung, die mit der Gießkanne vergeben wird.“ Dänemark gehe noch stärker in diese Richtung – mit großzügigen Sozialleistungen zu Beginn der Arbeitslosigkeit, aber strengen Auflagen für Schulungen und Jobannahme.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2010)