Franzobels "Moser": Stark verspäteter Faschingsscherz

(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Kein Skandal bei Franzobels „Moser“: Ein bunter Abend in der Josefstadt, grob inszeniert. Das Stück ist bestenfalls halblustig, es mangelt an Substanz.

Wegen Ihnen bin ich zum Turgenjew gegangen, furchtbar!“, faucht meine Leserin. Jedoch: Besser ein gutes Salonstück als Dilettieren in Avantgarde. Im Theater in der Josefstadt wurde Donnerstagabend Franzobels „Moser“ uraufgeführt. Ein Skandal war avisiert: Swingerclub in der Secession, Moser-Demontage in der Josefstadt, da kocht die boulevardeske Volksseele. Allerdings nicht im Theater: Dort grinste ein scheuer Dichter am Ende der Premiere ins Rampenlicht. Und die Premierengäste, von denen sich einige entsetzt in ihre Schals wickelten, aber kaum jemand floh, applaudierten.

Das Stück ist bestenfalls halblustig, es mangelt schlicht an Substanz: Anfang und Schluss sind königlich, franzoblisch. Doch über weite Strecken werden Schülerscherze geboten – und Geschmacklosigkeiten wie folgender Witz: Was stürzt einen Juden ins Dilemma? Schweinefleisch zum halben Preis. Haha! Blanca Moser soll solche Witze erzählt haben. Das macht sie nicht besser.

Franzobels „Mayerling“ war viel böser

Franzobel ist ein findiger Theaterdichter. Seine Aufführungen im Volkstheater unter der früheren Direktorin Emmy Werner („Mayerling“, „Mozarts Vision“) waren teilweise viel böser. Sie sollen zwar nicht besonders gegangen sein, aber das haben zeitgenössische Stücke öfter an sich. „Moser“ ist insofern charmant, als er Motive wienerischen Theaters aufnimmt, variiert, z.B. die Doppelgänger aus Raimunds „Alpenkönig“, Nestroy, Hanswurstiaden. Aber entweder hat der Dichter unter dem Druck der Josefstädter Verhältnisse zu viel umgeschrieben, oder er war sonst wie gehemmt von seinen Absichten – wie bei seinem Unterweger-Stück, das zu schematisch mitfühlend geriet.

Wie schon bei Taboris „Mein Kampf“ greift Regisseur Peter Wittenberg grob in Franzobels schalkhaftes Scherzgeflecht. Die Aufführung wirkt wie ein verspäteter Faschingsscherz. Worum geht's? Im Himmel kommt Hans Moser in zweierlei Gestalt an, als Alter und Junger. Er trifft auf einen Maskenbildner, der sich als Hitler entpuppt, und muss um ein Engagement kämpfen, wobei ihm seine Gattin Blanca kräftig hilft...

Die bedauernswerte Sandra Cervik mit Perücke und Pelz redet, wie man im Wiener Bürgertum Juden nachmacht, was einfach nur peinlich ist. Erwin Steinhauer als alter Moser übt noble Zurückhaltung und greift auf seine Erfahrungen im Kabarett zurück, wenn er zeigt, wie der Moser nichts geredet, nur geschaut hat, was sowohl passend für als auch gegen die Nazis war. Jene, die befürchten, dass ihr Idol vom Sockel gestürzt wird, können ruhig schlafen. Es geht bloß um den allgegenwärtigen Opportunismus, den auch Franzobel übt, indem er sich geradezu liebedienerisch etwaigen zornigen Moser-Fans anbiedert. Von der Kantigkeit einer Jelinek oder eines Thomas Bernhard ist er buchstäblich himmelweit entfernt.

Die hohe Kunst des „Trash“ verfehlt

Franzobel gehört mit seinen 42 Jahren bereits einer neuen Generation an, in der Hitler unbekümmert „verarscht“ werden darf, wie das z.B. Helge Schneider in Dani Levys viel diskutiertem Film „Mein Führer“ tut – oder unvergleichlich grandios Martin Wuttke in „Inglorious Basterds“ von Quentin Tarantino. Diese Art von Führer-Darstellungen sind rein humoristisch betrachtet ein Quantensprung. In der Josefstadt produziert sich der gescheite Altlinke und Führer-Parodist für Opernball-Demonstranten Hubsi Kramar als Hitler. Kramar ist auch Prinzipal des Wiener Offtheaters „3Raum“. Er zieht seine bewährte Nummer ab und macht sich einen lustigen Abend. Dieses hat wenig mit der hohen Kunst des „Trash“ zu tun und wirkt gelinde gesagt altmodisch.

Jünger und versierter in neuen Formen ist Alexander Pschill als Hitlers Spitzel und Adjutant Wackel: körperlich höchst beweglich, ein Kobold, ein kleiner Dämon, der vergeblich danach giert, selbst ein Künstler zu sein– recht witzig. Ein anderer aus der jüngeren Josefstadt-Riege, der konsequent als Star gehandelte Florian Teichtmeister, scheint unter dieser Bürde weiterhin zu leiden. Als junger Moser wirkt er angestrengt, was nicht nur daran liegt, dass ihm statt Nuscheln und Watscheln vom Führer der Siegfried mit dem Drachen verordnet wird. Die Grottenbahn mit dem Drachenkopf besteht aus Fauteuils, das Schwert ist ein Besen (Bühne: Florian Parbs). Einiges wirkt hier wie der allseits beliebte deutsche Humor (Vorsicht Ironie!). Sogar Martin Zauner erscheint diesmal hilflos als Paul Hörbiger. Auch die Hörbigers dürfen sich entspannen: Der Paul ist bei Franzobel ein Widerstandskämpfer. Die Josefstadt war schon besser bei den „Modernen“ unterwegs, z.B. mit Peter Turrinis grandiosem Nestroy-Stück (mit Markovics) oder bei Norbert Silberbauers „Firlinger“ (mit Zauner, Probebühne).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2010)

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