Erdoğans Ausweichquartier Sarajewo

Der türkische Präsident besucht Sarajewo.
Der türkische Präsident besucht Sarajewo.REUTERS
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Am Pfingstwochenende besucht der türkische Präsident die bosnische Hauptstadt. Für den Wahlkampfauftritt, der offiziell keiner ist, reisen Tausende Anhänger auch aus Österreich an.

Wien/Sarajewo. In die Sporthalle Juan Antonio Samaranch im Norden Sarajewos passen fast 20.000 Menschen, und am kommenden Sonntag dürfte das Stadion bis auf den letzten Platz besetzt sein. Auch diejenigen, die nicht in die Halle kommen, werden die Gelegenheit haben, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zuzuhören, versichert Zafer Sırakaya. An diesem Pfingstwochenende besucht Erdoğan die Hauptstadt Bosniens und Herzegowinas – und Tausende seiner Anhänger werden aus Ländern wie Deutschland und Österreich extra dafür anreisen.

Sırakaya ist Präsident der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die ihren Sitz in Köln haben und als AKP-nahe Vereine in europäischen Ländern gelten. Die UETD organisiert den Auftritt in der Sporthalle. Zwar wird Erdoğan offiziell in Bosnien und Herzegowina weilen und bilaterale Treffen abhalten, aber der Auftritt im Stadion gilt jetzt schon als Wahlkampfveranstaltung: Die Türkei bestimmt bei vorgezogenen Neuwahlen am 24. Juni einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Angekündigt ist die Veranstaltung in Sarajewo als Generalversammlung der UETD, die erstmals außerhalb Deutschlands stattfindet – und an der erstmals Erdoğan als Präsident teilnimmt.

„Wir sind in 17 Ländern vertreten, daher kann die Veranstaltung grundsätzlich auch in einem dieser Länder stattfinden“, sagt Sırakaya zur „Presse“. Bosnien sei aber ein historisches und aktuelles Vorbild für das Zusammenleben verschiedener Ethnien, darauf wolle die UETD in Zeiten des wachsenden Antisemitismus und der Islamophobie besonders hinweisen. Ob sich Erdoğan zu den türkischen Wahlen äußern werde, könne Sırakaya nicht sagen. Er bestätigt aber die Teilnahme des bosnischen Präsidenten Bekir Izetbegović: Auch er werde eine Rede halten.

Aus Österreich werden laut UETD-Kreisen 2000 Personen mit eigens angemieteten Bussen nach Sarajewo fahren, schätzungsweise weitere 1000 Personen werden privat anreisen. Kritik an der Veranstaltung und an der Teilnahme an ihr weisen die Anhänger des Präsidenten zurück: „Warum soll ich als türkischer Staatsbürger nicht zu meinem Präsidenten fahren? Es gibt doch Reisefreiheit“, sagt ein Geschäftstreibender, der seinen Namen lieber nicht nennen will.

Investitionen auf dem Balkan

Wahlkampfauftritte von Vertretern der regierenden AKP haben im vergangenen Jahr für viel Wirbel in mehreren europäischen Ländern gesorgt: Hallenbetreiber sagten der UETD ab, bisweilen wurden Minister ganz offiziell ausgeladen. In Bosnien und Herzegowina hat es die Türkei viel leichter, zumal sie seit Antritt der AKP-Regierung vor mehr als zehn Jahren massiv in mehrere Balkan-Länder investiert. In Sarajewo etwa ließ Ankara Gebäude – darunter Moscheen – noch aus osmanischen Zeiten renovieren, ein aktuelles Projekt beider Länder ist die Windkraft-Anlage in der Region Livno.

Als im Jahr 2010 mit finanzieller Hilfe der Türkei die private Internationale Universität Sarajevo eröffnet wurde, reiste Erdoğan eigens dafür an. Ebendiese Uni will dem Präsidenten nun bei seinem aktuellen Besuch die Ehrendoktorwürde verleihen.

Auch in Serbien hat Erdoğan mit Aleksandar Vučić einen ihm freundlich gesinnten Amtskollegen gefunden. Vučić besuchte jüngst Ankara und sagte vor Journalisten, dass die Türkei die stärkste Kraft auf dem Balkan sei. Ankara finanziert die Autobahnverbindung zwischen Belgrad und Sarajewo mit, zudem stellen Türken die größte Touristengruppe in Serbien dar.

Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern soll noch im diesem Jahr die Rekordhöhe von 1,3 Milliarden US-Dollar erreichen, sagte Vučić. Investitionen in Kroatien lässt die regierende AKP ebenfalls nicht aus den Augen: Als Erdoğan vor zwei Jahren nach Zagreb reiste, begleiteten ihn nicht weniger als sechs Minister und nahezu 90 Geschäftsleute.

Mit dem türkischen Engagement sind Interessenkonflikte freilich programmiert, zumal die EU und auch Russland ihren Einfluss am Balkan erweitern wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2018)

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