Architekturbiennale: Mehr Raum für Mehrwerte

Kommissärin. Verena Konrad kuratierte den österreichischen Beitrag der Architekturbiennale.
Kommissärin. Verena Konrad kuratierte den österreichischen Beitrag der Architekturbiennale. (c) Martin Mischkulnig
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Der maßgebliche Freiraum in der Architektur ist jener im Kopf des Gestalters.
Für Österreich schickt Kuratorin Verena Konrad ein Plädoyer nach Venedig, ihn auch zu nutzen. Als Beitrag zur 16. Architekturbiennale, die gerade startet.

Es ist fast so wie mit Worten. Sie sind immer nur so schön wie die Gedanken, die dahinterstehen. In der Architektur lesen sich viele Bauten eher wie ein Blindtext. Und zwischen den gestalteten Zeilen – im öffentlichen Raum – lässt sich oft noch viel weniger Sinnvolles decodieren. Wenn es nicht gerade so etwas wie Rendite oder Effizienz ist, was Investoren oder Verkehrsplaner in ihm bedeutungsvoll sehen. Dabei ist Architektur doch vor allem eine geistige, kulturelle Leistung – so sieht es Verena Konrad. Sie leitet das Vorarlberger Architekturinstitut und ist in diesem Jahr die Kommissärin des österreichischen Beitrags für die Architekturbiennale, die am Samstag, den 26. Mai, eröffnet. Dabei erschließt sich den Besuchern gleichzeitig der Zugang zum Motto, das in diesem Jahr Yvonne Farrell und Shelley McNamara als General-Kuratorinnen in ihrem Manifest ausgerufen haben: „Freespace“. Und das darf dann inhaltlich deutlich in den österreichischen Pavillon und Beitrag diffundieren: Auch in der Interpretation des Begriffs als „Freiraum“, den Architekten mit ihren Ideen und Gedanken füllen. Und als Handlungsspielraum, in dem sich womöglich auch mal so etwas wie eine humanistische Haltung ausdrücken darf. Ebenso wie die Ansicht, dass Architektur weit mehr als bloß ökonomische und funktionale Werte in die Welt streuen sollte. Vor allem in jenen Teil davon, der sich zwischen den Häusern aufspannt: im öffentlichen Raum. Denn gerade in diesem gestalterischen Feld bilden die Gesellschaften allzu gern ihre Prioritäten ab. Zurzeit vor allem die Liebe zum Auto, die Lust am Kommerz, den Drang nach Macht und Kontrolle. Schönheit oder etwa das Konzept des Teilens stehen da viel weiter hinten auf der Liste.

(c) sagmeister/walsh

Sagmeister & Walsh

Der Vorarlberger Designer Stefan Sagmeister und die Amerikanerin Jessica Walsh widmeten sich in den vergangenen Jahren dem „Glück“, etwa in Form einer Ausstellung und eines Films. Nun ist die „Schönheit“ an der Reihe. So setzt sich das Designbüro Sagmeister & Walsh auch für den österreichischen Beitrag der Architekturbiennale mit diesem Begriff auseinander. www.sagmeisterwalsh.com



Im Dienste des Planeten. „Wir wollten Architektur wieder als geistige Leistung definieren“, sagt Konrad. Dabei soll man den Entwürfen wieder eine Idee ansehen, die wie Bedeutung hinter Worten steht, nicht nur den Ausdruck einer „ästhetischen Ökonomie“. „Es ist die Aufgabe aller Gestalter, die Sinnzusammenhänge immer neu und kritisch zu reflektieren.“ Und „Sinn“ sei das Mindeste, was ein Gebäude begleiten sollte, wenn es entsteht. Vor allem, wenn sich Architekten nicht nur dem Bauherrn verantwortlich fühlen, sondern auch der Gesellschaft als stets implizitem Auftraggeber. Der manchmal auch stumm mahnt, bei den richtigen Gelegenheiten „Nein“ zu sagen. Etwa, wenn das Ungebaute die bessere Lösung wäre als das Gebaute. „Wir wollen gern zeigen, dass Architekten nicht nur als Erfüllungsgehilfen der Ökonomie fungieren. Sondern auch Verantwortung für einen größeren, kulturellen Kontext übernehmen, auch im Sinne des Gemeinwohls“, sagt Konrad.

„Thoughts-Form-Matter“ nannte Konrad den Beitrag, den sie kuratierte. Syntaktisch lässt sich das als Satz lesen. Oder als Aufzählung. Doch jedenfalls: Nur unabhängig nebeneinander wie Bullet-Points stehen sollten sie keinesfalls, die drei Positionen der drei Büros, die Konrad eingeladen hat. Die „Diversität der Gedanken“ sollte sich abbilden. Und der Umstand, „dass in der Architektur immer unterschiedlichste Zugänge koexistieren“. Im aktuellen Berufsbild der Architekten beginnt sich dieses Verständnis zum Teil schon zu manifestieren: Manche Büros verweben und verknoten Fäden, die ihren Ursprung in unterschiedlichsten Disziplinen haben – etwa der Kunst, der Philosophie oder der Soziologie.

(c) Marc Lins Photography

LAAC

Das Architekturbüro wurde 2009 von Kathrin Aste und Frank Ludin gegründet und hat seinen Sitz in Innsbruck. Gern erforschen und entwickeln die Architekten auch „Freiräume“, bei denen sie ebenso interdisziplinäre Ansätze miteinander verknoten. Der Landhausplatz in Innsbruck gehört zu ihren meist rezipierten Projekten. Zuletzt entwickelten sie das Projekt der „Stadtnaht Dornbirn“. www.laac.eu

Bei großen internationalen Büros wie etwa Snøhetta oder BIG gehöre das bereits zur Praxis, erklärt Konrad. So sollen auch die einzelnen Positionen im österreichischen Pavillon in den Giardini zusammenfinden, miteinander „kommunizieren“, jedenfalls nicht für sich allein stehen. „Der Beitrag sollte auch so konzipiert sein, dass begehbare, sehr aktive Räume entstehen.“ Schließlich habe man die Rezeptionsbedingungen der Architekturbiennale fleißig mitanalysiert: Dazu gehört einmal das heterogene Publikum. Zum anderen auch die verschiedenen Schichten des örtlichen Kontextes. Vom institutionellen Rahmen der Biennale bis zur Architektur des österreichischen Pavillons von Josef Hoffmann. „Schließlich wird alles gleichzeitig als Beitrag rezipiert“, sagt Konrad. Gemeinsam mit den Zeichen, die das Überthema „Freespace“ der Biennale in den nationalen Beitrag überführen. Das Architekturbüro Henke Schreieck schien Konrad prädestiniert: „Sie verstehen Architektur zuvorderst immer als Städtebau, bei dem sie öffentlichen Raum mitkonzipieren.“ In ihrer Installation legen Henke Schreieck den Außenraum ins Innere und darüber noch einen Begriff, der sich lang aus dem Architekturdiskurs verflüchtigt zu haben schien: Atmosphäre.

Sinnliche Erfahrung. Auch das Büro LAAC gönnt dem österreichischen Beitrag „Momente der Reflexion“. Und das sowohl auf visueller wie auch auf gedanklicher Ebene. Einen Satz haben sich Kathrin Aste und Frank Ludin besonders zu Herzen genommen: „The Earth is our Client.“ Entstanden ist schließlich eine Bodenskulptur, die „geometrisch mit dem Pavillon verwachsen ist, sich aus der Logik der Architektur ergibt“. Doch da ist dieser Irritationsmoment: „Man muss sich ständig neu verorten.“ Hier reiben sich „absolutes und relationales Raumverständnis“. Große Freude habe Konrad „mit der Tiefgründigkeit dieser Umsetzung“. Wie auch mit jener des Büros Sagmeister & Walsh: In ihrer Installation trennen sie die Begriffe „Beauty“ und „Function“ räumlich voneinander und lösen sie grafisch auf.

(c) Heinz Schmölzer

Henke Schreieck Architekten

Dieter Henke und Marta Schreieck führen seit 1982 ihr Architekturbüro in Wien. Zu ihren realisierten Projekten gehören etwa das Office-Gebäude Hoch Zwei und der Erste Campus in Wien. „Wichtig ist uns, dass jedes Projekt eine Bereicherung für das jeweilige Umfeld darstellt“, sagen sie. „Wir sind keine Dienstleister, sondern Gestalter unserer Umwelt“.
www.henkeschreieck.at

Aus dem Manifest der Biennale-Kuratorinnen haben sich die Gestalter Sätze und Begriffe herausgepickt, sie mit ihren individuellen Konnotationen aufgeladen und dem österreichischen Pavillon „wieder eingeschrieben“: „Als poetische, griffige Metaphern“, wie Konrad es formuliert. Jedes Büro mit eigenen Mitteln. Und doch immer sinnlich erfahrbar. „Das war mir wichtig für die Rezeption.“ Wenn die schweren Beine der Besucher den bereits Input-überladenen Kopf in die österreichische Ausstellung tragen. Und trotzdem soll der Beitrag fordern: „Das Publikum soll sich in körperliche und gedankliche Widersprüche verwickeln. Eine eigene Positionierung wird dabei vorausgesetzt.“

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