Gesundheitsminister Stöger musste zu Listerien Stellung nehmen - und die Regierung will ganztägige Schulangebote verdreifachen und Lehrerausbildung reformieren, in Arbeit ist weiters eine Reform der Lehrerausbildung.
GRAZ. Hätte es einen amtlichen Zeremonienmeister der Regierung gegeben, er hätte sich am Montag die Haare raufen müssen. Denn im Mittelpunkt der Regierungsklausur in Graz standen nicht – wie eigentlich geplant – das erfolgreiche Funktionieren von Arbeitsmarktpaketen oder Zukunftsinvestitionen ins Bildungswesen, sondern Bakterien im Käse – genauer gesagt: Listerien. Darüber wurde gleich zu Beginn der nicht öffentlichen Arbeitssitzung rund eine Stunde lang heftig diskutiert, und das Thema beherrschte auch die anschließende Pressekonferenz. Hat Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) rechtzeitig reagiert? Ab wann wusste er was?
Am Podium mussten Kanzler, Vizekanzler, Wirtschafts- und Sozialminister dazu lange Rede und Antwort stehen. So lange, dass sie im Anschluss daran Stöger selbst aufs Podium holten. Und der lieferte ein genaues Protokoll der Ereignisse ab: Am 27.10. 2009 gab es aufgrund von Erkrankungen den ersten Verdacht auf Bakterien in Lebensmitteln. Am 29.10. wurden Listerien bei den Patienten festgestellt. Am 23.11. gab es den ersten Todesfall (mittlerweile sind es acht). Am 13.Jänner 2010 stand fest, dass es sich um ein Käseprodukt handeln müsse. Am 15.1. wusste man, dass es Quargel war. Am 19.1.wurde die Produktion in der steirischen Firma eingestellt. Doch es dauerte noch bis zum 22.1., bis die Bevölkerung gewarnt wurde, und erst am 23.1. verschwand der Käse vom Markt.
Nun denkt man über verschärfte Kontrollen nach und wundert sich über einiges: „Bisher hätte ich gedacht, dass in einem als steirischer Käse bezeichneten Produkt österreichische Milch drinnen ist“, meinte Kanzler Werner Faymann beim Small Talk im kleinen Journalistenkreis. Doch die Milch kam aus Holland, wurde in Deutschland zu Topfen und in der Steiermark zu Quargel verarbeitet sowie mit rotweißroter Schrift bedruckt. Allerdings hatte der Käse kein AMA-Siegel, das ihn als rein österreichisches Produkt ausgewiesen hätte.
Aber eigentlich wollte die Regierung über ganz anderes reden und zum Beispiel ihre Erfolge am Arbeitsmarkt (stabile Lehrlingszahlen, niedrige Jugendarbeitslosigkeit) loben. Oder darüber, dass voraussichtlich alle 21 öffentlichen Universitäten von den 34 Millionen Euro profitieren werden, die das Wissenschaftsministerium aufgrund des Studentendrucks aus dem Audimax ausschüttet.
Debatte um Mineralölsteuer
Doch da war auch noch ein anderes Thema, das die Journalisten interessierte: Wird die Mineralölsteuer erhöht, wie „Der Standard“ berichtet hatte? Zuerst werde überlegt, wo man einsparen könne, außerdem sei das österreichische Steuerniveau ohnehin eines der höchsten im internationalen Vergleich, wehrte Finanzminister Josef Pröll ab. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) erklärte, es sei gut möglich, dass so etwas in internen Zirkeln diskutiert worden sei, da Österreich durch den Tanktourismus Maluspunkte im Ökologiebereich sammle. Doch das sei kein Vorschlag, über den auf politischer Ebene verhandelt werde.
Mehr ganztägige Schulen
Am Dienstag steht die Schule auf dem Programm der Regierungsklausur. Es soll künftig deutlich mehr – voraussichtlich drei Mal so viele – ganztägige Schulen geben. Bis zum Sommer will man einen Plan ausgearbeitet haben. Der Finanzminister hat sich bereit erklärt, dafür auch mehr Geld auszugeben. Am Rande der Pressekonferenz meinte Pröll vor Journalisten, er erwarte sich „im Gegenzug“ von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) eine „gesamthaftere Diskussion“ über die zahlreichen Schulversuche. Dem Wunsch der Ministerin nach Erhöhung der Zahl an Schulversuchen für die „neue Mittelschule“ (derzeit zehn Prozent österreichweit) wird er nicht stattgeben. Wie berichtet, reißen sich vor allem die Hauptschulen um den Versuch, da sie dadurch mit mehr Personal und Geld ausgestattet werden. Doch für den kommenden Herbst ist der Zug bereits abgefahren.
In Arbeit ist weiters eine Reform der Lehrerausbildung. Schmied ist sich mit ihrer ÖVP-Kollegin am Minoritenplatz, Wissenschaftsministerin Beatrix Karl, einig, dass „nur die Besten“ für den Lehrerjob gewonnen werden sollten.
Alles in allem gab man sich Mühe, harmonisch zu erscheinen. „Die Vorbereitungen für die Klausur haben – was Sie jetzt überraschen wird – in einem sehr guten Klima stattgefunden“, merkte Faymann an. Neues Insolvenzrecht, S.17
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2010)