Listerienkäse als Thema einer Regierungsklausur: Stöger will alles richtig gemacht haben. Der Vizekanzler glaubt ihm. Für die Teambildung.
Der Sinn einer Klausur erschließt sich in der Distanz. Die und der Abschied von alten Gepflogenheiten helfen, neue Wege zu finden und den Teamgeist zu stärken. Nur so werden Versäumnisse aufgearbeitet, künftige Fehler ausgeschlossen, und am Schluss wird alles besser. Meistens. Wozu wagt ausgerechnet diese Regierung eine Klausur, könnte man fragen, aber das wäre gemein.
Immerhin macht der stille Gesundheitsminister namens Alois Stöger tatsächlich einiges anders: Er beschäftigte sich am Montag bei einer – spontan! – einberufenen Pressekonferenz mit dem Listerienkäse, an dessen Verzehr acht Menschen starben. Zuvor hatte er Kanzler und Vizekanzler informiert! Laut Josef Pröll seien die Ausführungen „glaubhaft“ gewesen. Ein Glück. Stöger will Ende Oktober, Anfang November über das erste Problem beziehungsweise den ersten Todesfall informiert worden sein. Die drei Monate zwischen Entdeckung der Listerienfälle bis zum Finden des Produkts seien eine „kurze Zeit“. Vergangene Woche nannte er die Arbeit des Ministeriums übrigens „gut“. Diese Wortwahl lässt auf hohe Sensibilität des Ressortschefs schließen. Die erste Erkrankung war übrigens im Juni.
Laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit hätten beim Unternehmen viel früher die Alarmglocken läuten müssen. Der Fall zeigt, dass ein sonst enges Netz an Kontrollen versagen kann. Und dass politische Verantwortung auch darin besteht, eine – sonst ganz normale harmlose – Verzögerung in der Arbeit der Behörden einzugestehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2010)