Eine Rückkehr: Klüger und Morton

Ruth Klüger.
Ruth Klüger.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nationalbibliothek. 20 Kisten Vor- und Nachlass zweier Exilliteraten gingen nach Wien.

Manuskripte, Briefe, Tagebücher, Fotos und diverse andere Materialien zweier wichtiger Autoren des Exils konnten von der Österreichischen Nationalbibliothek erworben werden. Es handelt sich um den Nachlass von Frederic Morton (1924 – 2015) und den Vorlass von Ruth Klüger (* 1931), wie Generaldirektorin Johanna Rachinger und der Leiter des Literaturarchivs, Bernhard Fetz, diese Woche in Wien mitteilten: Elf Kisten umfasst der Vorlass der Literaturwissenschaftlerin Klüger, neun der Nachlass des Bestsellerautors Morton. Die Katalogisierung dieser neuen Bestände soll bis Ende 2018 erfolgt sein, sagte Fetz, einzelne Objekte sollen demnächst für die Dauerausstellung im Literaturmuseum der ÖNB verwendet werden.

Das Haus besitzt bereits an die 70 Vor- und Nachlässe. Rachinger zeigte sich erfreut, dass im Gedenkjahr 2018 die Bestände dieser wichtigen Autoren mit ihren sehr unterschiedlichen Emigrationsgeschichten dazugekommen seien. Bei Mortons Konvolut, einer großzügigen Schenkung seiner Tochter Rebecca, scheinen Korrespondenzen mit berühmten Kollegen wie Thomas Mann, Aldous Huxley, Upton Sinclair, Philip Roth, Norman Mailer sowie Stücke besonders interessant zu sein. Bei Klüger (der Vorlass wurde mit 25.000 Euro abgegolten) ist neben Gedichten, Dokumenten und Details zur Familiengeschichte der Jahrzehnte währende Briefwechsel mit dem deutschen Autor Martin Walser außergewöhnlich. Die Korrespondenz endete, als Walser 2002 „Tod eines Kritikers“ publizierte. Der Schlüsselroman karikiert grob den Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Klüger warf Walser vor, sein „übles Buch“ sei antisemitisch und verlogen.

Von den Nazis verfolgt

Sowohl Morton als auch Klüger stammen aus Wien, sie wurden als Juden von den Nationalsozialisten verfolgt. Der Sohn eines Fabrikanten hieß ursprünglich Fritz Mandelbaum. Seine Familie flüchtete 1939 ins Exil – über England nach New York. Morton arbeitete zuerst als Bäcker, dann unterrichtete er englische Literatur, schließlich machte er sich in den Sechzigerjahren als Essayist und Romancier einen Namen. Sein erster großer Erfolg war „The Rothschilds. A Family Portrait“ (1962).

Klüger, die Tochter eines Arztes, entkam als Kind nur knapp der Ermordung durch die Nazis. Im Alter von elf Jahren wurde sie mit ihrer Mutter ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, dann nach Auschwitz Birkenau, schließlich in ein Außenlager von Groß-Rosen gebracht. Aus Christianstadt gelang ihnen 1945 die Flucht. Der Vater und der Halbbruder fielen dem Holocaust zum Opfer.

Klüger studierte nach dem Krieg Germanistik in Regensburg, emigrierte 1947 mit ihrer Mutter in die USA. Dort wurde sie zu einer eminenten feministischen Stimme, sie lehrte Literatur u. a. in Princeton und Irvine. Spät schrieb sie Bestseller: Ihr berühmtestes Buch ist die 1992 veröffentlichte Autobiografie „weiter leben. Eine Jugend“, über die Jahre in Wien, den Terror der Nazis, die Emigration.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2018)

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