Herbeus Greens: Grüne Winzlinge

(c) die Presse (Carolina Frank)
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Microgreens aus der Vertical Farm: Ein junges Wiener Unternehmen und sein Pionierprojekt.

Sie tragen glamourös klingende Namen wie Mitsuba Mashimori oder Perilla Red – oder heißen ganz schlicht Erbse: die Microgreens in kleinen Boxen, mit denen das junge Wiener Unternehmen Herbeus Greens nun vom Testbetrieb an der Spittelauer Lände in eine große Produktionshalle außerhalb der Stadt übersiedelt – in die nach eigenen Aussagen erste vertikale Farm Österreichs. Hier wird das Team rund um die Quereinsteiger Clemens Jahn und Ronald Frank (Letzterer hat sein Unternehmen Little Green Farms mit Herbeus fusioniert) Pflanzenwinzlinge züchten, mit denen Gastronomen und in weiterer Folge auch Endkunden beliefert werden.

Rund 30 Sorten an rein grünen oder oft auch magenta-grünen Winzlingen sind es derzeit, experimentiert hat man aber schon mit 350. Die Hightech-Produktionshalle in Raasdorf im Marchfeld soll schlussendlich 100 Pflanztürme mit je sechs Ebenen beherbergen, auf denen sich die kleinen Boxen mit Daikonkresse oder Pak-Choi-Sprösslingen dicht aneinanderreihen.

Was die jeweiligen Pflanzen zum Wachsen brauchen, wie viel Licht, Wasser und Hitze, ist unterschiedlich. Der erfahrene Pflanzenzüchter Hans Böck-Detter kümmert sich genauso um diese Parameter wie um Saatgutauswahl und Samenaufbereitung. „Die asiatischen Pflanzen mögen es wärmer als Rote Rübe oder Karotte“, erklärt Clemens Jahn. Er war beruflich im Nachtleben zu Hause, mit Clubs wie der Grellen Forelle, bevor er mit Herbeus Greens dem Wunsch nach dem Pionierdasein nachkam. „Bisher kommen fast alle Microgreens, die man in Österreich bekommt, aus dem Ausland.“

Etwa von Vorreiter und Marktführer Koppert Cress aus Holland. Obwohl Herbeus Greens bis dato als eher provisorischer Betrieb am Werk war – „ein bisschen MacGyver“, kommentiert Teammitglied Brice Martineau das anfängliche, selbst konstruierte Wasserversorgungssystem –, hat man schon rund 40 Gastronomen in Wien und Umgebung als Abnehmer gewonnen: Das spanische Paco wird ebenso beliefert wie etwa das japanisch-europäische Shiki oder das Schwarze Kameel.

Erst einmal will sich das junge Unternehmen auf den Wiener Markt konzentrieren, „from farm to table“ unter zwei Stunden sei hier das Ziel. Später soll ganz Österreich mit knackigem Austernblatt, würziger Mizunakresse und lockigen Erbsensprossen beliefert werden. Ronald Frank, der zwei Jahrzehnte in der Finanzbranche und der Formel 1 gearbeitet hat, träumt auch von reinen Babyleaf-Micro­green-Salatmischungen, „wie man sie in den USA oder in England bekommt“.

Tausendkornmasse

Derzeit werden die Winzlinge sortenrein verkauft. Die kleinen Schalen aus Kunststoff – wie man dieses Material ersetzen kann, steht auf der To-do-Liste – werden mit Biozellulose gefüllt, darauf kommen die jeweiligen Samen. Wie viele es pro Schale sind, ist äußerst unterschiedlich: Bei Schnittknoblauch kommen 775 Samen in jede einzelne Kunststofftasse, bei der Erbse sind es gerade einmal 75. Bestimmt wird dies mittels Tausendkornmasse. Von der Erbse als größtem Samen reichen fünf Stück für ein Gramm, beim Leichtgewicht Sellerie ergeben hingegen erst 2777 Samen ein Gramm. Die erste Keimphase in warmer Dunkelheit beträgt zwei bis fünf Tage. „Bis zum ersten Schwanzerl, wenn der Samen bricht und der Keim herauskommt“, präzisiert Clemens Jahn. Danach kommen die Pflanzentassen in den Brutraum, wo sie mit exakt bestimmten Mengen an Wasser, LED-Licht, Wärme und Wind („gegen Schimmelbildung“, wie Ronald Frank erklärt) zur gewünschten Größe heranwachsen.

Das geht in einer Hightech-Brutstation natürlich deutlich schneller als in der freien Natur; nach fünf bis höchstens 30 Tagen sind die Sprösslinge erwachsen und bereit, abgeschnitten und auf Saibling, Beef Tatar, Erdäpfel oder Erdbeereis gestreut zu werden. In der Halle in Raasdorf sollen Parameter wie Wasser und Licht vollautomatisch eingehalten werden. Die Abwärme aus den LEDs wird man nützen, und auch das benötigte Wasser und die Bionährstoffe werden immer wieder aufbereitet. Die Bewässerung erfolgt durch die Löcher im Tassenboden von unten. „Wasser von oben könnte wegen der LED-Abwärme zu kleinen Verbrennungen auf den Blättern führen“, sagt Clemens Jahn, „und manche Sprossen sind so winzig, dass sie unter den Wassertröpfchen umknicken würden“.

Täglich werden die Tassen mit den ausgewachsenen Winzlingen aus den Regalebenen herausgeholt, kontrolliert und gereinigt. Dann kommen sie für die Auslieferung in braune Kartons – markiert mit Post-its: Sacher, Mochi, Steirereck.

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