Und jetzt zu etwas ganz anderem: In einer der wichtigsten Stunden Jesu haben seine Jünger geschlafen, berichten die Evangelisten über die Nacht der Verhaftung. Was danach folgte, darf als bekannt vorausgesetzt werden.
Fürchtet euch nicht: Das ist keine Predigt, noch dazu von einem Laien(!). Das kommt zwar häufiger vor, als es Rom weiß, ist aber ausnahmslos verboten. Was uns diese fast 2000 Jahre alte Szene heute sagen kann? Nun, die Bischöfe stehen nach katholischem Verständnis in ununterbrochener direkter Nachfolge der Apostel. Und da kann es schon sein, dass sie in entscheidenden Situationen, nun ja, wie die Jünger zu Zeiten Jesu in bestimmten Situationen...
Unbestritten ist wohl, dass die Hirten längst nicht mehr ihrer Herde voran- oder in ihrer Mitte gehen, sondern hinterherpilgern. Manchmal haben sie so sehr den Anschluss verloren, dass sie völlig außer Sichtweite der Herde geraten sind. Dafür ist die Studie über die Sorgen tausender Pfarrgemeinderäte, die der Pastoraltheologe Paul Zulehner erstellt hat, nur eines von vielen Indizien: Selbst eine absolute Mehrheit der engsten Mitarbeiter, die konstitutiv zum Grundgerüst der Kirche vor Ort gehören, sieht den Zölibat als nicht geeignet an. Die Zukunft der katholischen Kirche wird vom harten Kern der Katholiken, euphemistisch ausgedrückt, alles andere denn glorifiziert. Auch hier erwartet eine satte Mehrheit, dass sich die Zukunft für ihre Organisation schlecht bis sehr schlecht gestalten wird.
State of the Art ist die Kirchenführung in vielen Bereichen nicht mehr. Das beginnt bei Gestaltung und Sprache der Gottesdienste in den Kirchen und reicht bis zu Vorschriften, wie sich Ehepaare in den Schlafzimmern zu verhalten hätten. Da existieren sehr rigide, durch Enzykliken und Kirchengesetz normierte Regeln.
Und wie sieht es beim sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen aus? Diesbezüglich müssen der Kirchenführung strenge Regeln immer erst nach dem Auffliegen von Taten abgetrotzt werden. Auch die gestern zu Ende gegangene Tagung der österreichischen Bischofskonferenz hat erst spät einen schärferen Maßnahmenkatalog beschlossen.
Offenbar ist der Leidensdruck für Reformen noch nicht groß genug. Nein, damit ist nicht die Kirchenbasis gemeint. Dort ist die Fähigkeit zum Erdulden des Stillstands nur mit dem Schöpfen aus den Tiefen spiritueller Quellen erklärbar. Gemeint ist die Kirchenleitung. Das Erwachen wird hart.
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Die katholische Kirche ist heute in vielem nicht
State of the Art.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2010)