Der French-Open-Finalist unterbricht seine Sandplatztour für zwei Turniere auf Rasen. In der zweiten Jahreshälfte 2017 schwächelte er, darin liegt 2018 eine Chance.
Paris/Wien. Nach 23 aufeinanderfolgenden Matches auf Sand (Bilanz 18:5-Siege) und dem erstmaligen Erreichen eines Grand-Slam-Finals steht Dominic Thiem in den kommenden Tagen vor einer radikalen Umstellung. Auf eine kurze Erholungsphase startet in der Südstadt die Vorbereitung auf die Rasensaison, der 24-Jährige hat für die Turniere in Halle (ab 18. Juni) und Wimbledon (ab 2. Juli) genannt. Das Spiel auf dem schnellsten aller Beläge verlangt völlig andere Bewegungsabläufe, Aufschlag und Return erhalten auf dem Grün eine weitaus größere Bedeutung.
Zunächst wird sich Thiem auf einem Fußballplatz in der Südstadt an den neuen Untergrund gewöhnen, „die Beinarbeit ist schon ganz anders als auf Sand“, sagt der Schützling von Günter Bresnik, dessen Erwartungen auf Rasen natürlich längst nicht so hoch sind wie auf Sand. Speziell in Wimbledon, dem dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres, geht es aber um viele Punkte. Im Vorjahr war der Niederösterreicher an der Church Road erstmals in das Achtelfinale vorgestoßen, wo er Tomas Berdych knapp in fünf Sätzen unterlag. Der Tscheche hatte im Viertelfinale von der verletzungsbedingten Aufgabe Novak Djokovics profitiert. „Ich war sogar relativ nahe an einem Semifinale dran, also ist auch dort viel möglich.“ Bresnik möchte kein konkretes Ziel für Wimbledon nennen, er sagt: „Auf Rasen sind viele Sachen auslosungsabhängig. Es gibt ein paar ungesetzte Spieler, die ausgesprochene Spezialisten sind.“ Nach Wimbledon geht es in Hamburg und Kitzbühel nochmals auf Sand.
Mit der ersten Saisonhälfte darf man im Lager des Weltranglistensiebenten jedenfalls zufrieden sein, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Thiem nach seiner Mitte März in Indian Wells erlittenen Knöchelverletzung fünf Wochen kein Turnier bestreiten konnte und das ATP-1000-Event in Miami verpasste. In der Jahreswertung, dem Race, liegt das ÖTV-Ass als Fünfter nur wenige Punkte hinter Roger Federer (3.) und Juan Martin del Potro (4.), die besten acht Spieler qualifizieren sich für das Masters in London Mitte November. Vergleicht man die Bilanzen der ersten Jahreshälfte 2017 (34:13) und 2018 (35:9), so hat Thiem einen Fortschritt erzielt.
Allerdings ist die die erste Saisonhälfte bei Dominic Thiem traditionell stärker, das hat natürlich vor allem mit der Anhäufung von Sandplatzturnieren zu tun. Die zweite Jahreshälfte brachte oftmals Enttäuschungen, im Vorjahr gelangen dem Gewinner von zehn ATP-Turnieren nach den French Open bei 14 Niederlagen nur 13 Siege. Als beste Resultate stehen Thiem die Achtelfinals von Wimbledon und den US Open zu Buche, ansonsten gelangen ihm nur in Cincinnati (Viertelfinale) zwei Siege en suite. Auf die beim ihm so unbeliebte Asien-Tournee verzichtet der Lichtenwörther heuer beinahe komplett, er tritt einzig in Schanghai an. Die schwache zweite Jahreshälfte 2017 bietet Thiem natürlich auch eine Chance: Mit starken Resultat ist eine Ranglistenverbesserung sehr realistisch.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2018)