Sozialversicherung: Schneider kann Sparziel "nicht nachvollziehen"

Eine Milliarde Euro Einsparung bei den Gebietskrankenkassen sei unvorstellbar
Eine Milliarde Euro Einsparung bei den Gebietskrankenkassen sei unvorstellbarAPA/HANS KLAUS TECHT
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Volkswirtschafter Friedrich Schneider glaubt nicht, dass die Zentralisierung der Gebietskrankenkassen eine Einsparung von einer Milliarde Euro in fünf Jahren bringen wird.

Der Volkswirtschafter Friedrich Schneider bezweifelt, dass die Zentralisierung der Gebietskrankenkassen die erhoffte Einsparung von einer Milliarde Euro in fünf Jahren bringen wird. "Ich kann das so nicht nachvollziehen", sagte er am Montag in Linz. Der Jurist Theo Öhlinger hat verfassungsrechtliche Bedenken, einen Selbstverwaltungskörper für 80 Prozent der Bevölkerung zu schaffen.

Selbstverwaltung in dieser Dimension sei mit der Idee der Selbstverwaltung nicht vereinbar, so Verfassungsexperte Öhlinger in einem Hintergrundgespräch anlässlich einer Podiumsdiskussion auf Initiative der OÖGKK an der Linzer Universität. Daher würden die Pläne wohl auf "die Camouflage eines staatlichen Gesundheitsdienstes hinauslaufen". Rein rechtlich wäre die Umwandlung in ein staatliches System durch ein einfaches Gesetz möglich.

Österreichweites Nullsummenspiel?

Schneider präsentierte eine Studie, die er im Auftrag der OÖGKK erstellt hat. Fazit: Eine Zentralisierung der Gebietskrankenkassen berge Vorteile - etwa mehr Marktmacht - aber auch viele Risiken. Insgesamt sieht er das Vorhaben aus ökonomischer Sicht kritisch, u.a. weil die Möglichkeit des Benchmarkings wegfalle.

Forscher der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung haben unter der wissenschaftlichen Leitung Schneiders errechnet, dass in Oberösterreich das BIP um 87 bis 191 Mio. Euro sinken und 1.590 bis 3.348 Jobs wegfallen würden. Die Einkommen würden demnach um 57,4 bis 122,4 Mio. Euro sinken. Bedingt wird das alles u.a. durch den Abfluss von Beitragseinnahmen, einen Auftragsrückgang durch zentrale Beschaffung oder durch den Wegfall von Kuren - dafür gibt die OÖGKK 13,2 Mio. Euro pro Jahr aus, bei einer zentralen Gesundheitskasse wäre laut Studie hier mit Kürzungen zu rechnen.

Österreichweit wäre es vielleicht ein Nullsummenspiel, räumte Schneider ein. Aber generell zeige die empirische Erfahrung, dass große Kassen die theoretischen Vorteile gegenüber kleinen nicht ausschöpfen können - im Gegenteil: Fusionen würden meist Zusatzkosten auslösen, die dann oft dauerhaft bestehen bleiben. Bei der Zusammenlegung der PVA in Österreich hätten sich keine Kostenvorteile ergeben und in Deutschland oder in der Schweiz seien die Verwaltungskosten trotz der Fusionen von Kassen nicht gesunken, heißt es in der Studie. Der ehemalige Vorstandschef der AOK Bayern, Helmut Platzer, bestätigte das.

(APA)

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