ÖGB kritisiert 12-Stunden-Tag als "Raubzug" gegen Arbeitnehmer

Wolfgang Katzian gibt sich zu Beginn seiner ÖGB-Präsidentschaft kampfeslustig.
Wolfgang Katzian gibt sich zu Beginn seiner ÖGB-Präsidentschaft kampfeslustig. (c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Der neue ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian will die Regierungspläne zur Flexibilisierung der Arbeitszeit bekämpfen. Von Wirtschaftskammer und IV gibt es hingegen Lob für die Koalition.

Der neu gewählte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hat die Regierungspläne zur Arbeitszeitflexibilisierung scharf kritisiert. Heute habe ein "Raubzug gegen die Gesundheit und Geldbörsen" der Arbeitnehmer begonnen, stellte Katzian in der "ZIB2" fest. Der ÖGB-Chef machte klar, dass die Regierung mit dem 12-Stunden-Tag eine rote Linie überschritten habe, Maßnahmen bis hin zum Streik sind daher möglich.

Der Gesetzesentwurf enthalte viele Punkte, die zunächst genau analysiert werden müssen. Katzian stößt sich etwa am Durchrechnungszeitraum für Überstunden. Dass Arbeitnehmer die elfte und zwölfte Stunde ablehnen können, bezeichnete er als "Fake", denn aus Angst vor einem Jobverlust würde dies kein Arbeitnehmer tun. Moniert wurde auch, dass es keine Begutachtung im Parlament geben wird.

"Rote Linie ist überschritten"

Katzian räumte ein, dass auch der "Plan A" von SPÖ-Chef Christian Kern Passagen zur Arbeitszeit enthalte. Dieser enthalte aber auch etwa die Selbstbestimmung beim Zeitausgleich. Die Behauptung, dass sich die nun von ÖVP und FPÖ vorgelegten Bestimmungen an einer vorhandenen Sozialpartnereinigung orientiere, wies Katzian scharf zurück: "Das ist eine maximale Nebelgranate", denn diese Einigung habe es nicht gegeben. Es sei eine "Frechheit", das zu unterstellen: "Da werden wir noch viel Spaß miteinander haben in nächster Zeit."

Im ÖGB will man nach einer ersten Analyse des Initiativantrags am Freitag über die weitere Vorgangsweise beraten. Am ÖGB-Kongress, der am Donnerstag zu Ende ging, habe man aber rote Linien beschlossen und der 12-Stunden-Tag sei ganz klar eine solche. Die Regierung habe mit dem Gewerkschaftsbund nicht gesprochen, kritisierte Katzian weiter. Er will sowohl mit ihr als auch mit der Wirtschaftskammer darüber sprechen.

Anderl: Attacke gegen junge Familien

Für AK-Präsidentin Renate Anderl ist der 12-Stunden-Tag eine Attacke gegen alle Arbeitnehmer, aber insbesondere gegen junge Familien. Mütter werden sich noch schwerer tun, eine Vollzeitarbeit zu finden und anzunehmen, wird Anderl in einer Aussendung zitiert. Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer sei in dem Gesetzestext überhaupt nicht vorgesehen, sagt Anderl. Praktisch alle Arbeitnehmer haben in ihrem Arbeitsvertrag eine Klausel, die sie zur Leistung von Mehr- und Überstunden verpflichtet. Damit seien alle Arbeitnehmer bei einer Erhöhung des gesetzlichen Rahmens verpflichtet, generell Überstunden bis zu einem 12-Stunden-Arbeitstag zu leisten.

„Das sogenannte Ablehnungsrecht ist blanker Hohn“, so Anderl. Wer die 11. und 12. Überstunde ablehne, riskiere eine fristlose Entlassung, denn eine Ablehnung könne nur bei "überwiegendem persönlichen Interesse" eingebracht werden. Der Arbeitnehmer müsse dann beweisen, dass seine Interessen schwerer wiegen, als die betrieblichen - und riskiere damit die fristlose Entlassung wegen Arbeitsverweigerung. In Zukunft gebe es für in Gleitzeit arbeitende Beschäftigte keine Überstundenzuschläge mehr. Denn nicht nur die 9. und 10. Stunde wie bisher, sondern auch die 11. und 12. Stunde in Gleitzeit könne ohne Zuschlag abgegolten werden.

WKO: Einigung soll Jobs sichern

Dort wird die Initiative der Regierung naturgemäß freundlicher aufgenommen. Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer begrüßt, dass "jetzt das dringende Thema 'flexiblere Arbeitszeiten' endlich gelöst werden soll". Die Vorschläge könnten helfen, "endlich zeitgemäße Arbeitsbedingungen umzusetzen, die Betrieben, Mitarbeitern und Kunden Vorteile bringen."

Denn Firmen könnten flexibler auf Kundenaufträge reagieren, das werde Arbeitsplätze sichern. Die Arbeitnehmer wiederum könnten mehr Geld verdienen oder mehr Freizeitblöcke haben und angesichts ihres Rechts, lange Arbeitstage abzulehnen, "ist sichergestellt, dass niemand gegen seinen Willen und seine zeitlichen Möglichkeiten zu Überstunden verpflichtet werden kann." Auch die Industriellenvereinigung freut sich über "die Anpassung des Arbeitsrechts an gesellschaftliche Wünsche und Notwendigkeiten".

Streiks sind vorstellbar

Sollten die Gespräche mit Regeirung uns Sozialpartnern nicht fruchten, sei viel vorstellbar, meinte der ÖGB-Chef auf Streiks angesprochen. "Wer glaubt, irgendeine Gewerkschaft dieser Welt nimmt das einfach so zur Kenntnis, der ist am Holzweg." Konkrete Pläne nannte er freilich nicht, die Aktionen sollen jedenfalls spürbar sein.

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