12-Stunden-Tag: "Wie soll sich das ausgehen?"

PROTESTAKTION GEGEN DEN 12-STUNDEN-TAG
PROTESTAKTION GEGEN DEN 12-STUNDEN-TAGAPA/MELANIE GRADIK
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Alleinerzieherinnen und Mitarbeiter im Gastgewerbe klagen über die Regierungspläne zur Arbeitszeitflexibilisierung.

12-Stunden-Arbeitstage und eine 60-Stunden-Woche - wie soll sich das mit dem Familienleben ausgehen, fragen sich von den Regierungsplänen zur Arbeitszeitflexibilisierung Betroffene. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag mit SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sprachen sie über ihre Erfahrungen und Befürchtungen. Muchitsch bekräftigte dabei sein Angebot an ÖVP und FPÖ für Verhandlungen.

"Je mehr Menschen sich den Gesetzesentwurf anschauen, desto mehr kommen auf versteckte Fouls für Arbeitnehmer drauf", ärgerte sich Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz. Er sprach von einem "Gruselantrag", der keine einzige Verbesserung für die Beschäftigten bringe. Die Verlierer sind aus seiner Sicht Frauen, Familien, Schwerarbeiter und die Beschäftigten im Tourismus. Im Zuge der Begutachtung im SPÖ-Klub sind mehr als 100 Stellungnahmen eingelangt. Als größte Probleme stellen sich dabei die Kinderbetreuung und die Gesundheit heraus. In der morgigen Nationalratssondersitzung werde man kein "Gräuelpropaganda" verbreiten, meinte Muchitsch in Richtung ÖVP und FPÖ, sondern aufklären.

Andrea Czak ist seit mehr als zwölf Jahren alleinerziehende Mutter und gründete das AlleinerzieherInnennetzwerk Wien. Heute ist sie bei der Stadt Wien beschäftigt, hat aber davor im Handel gearbeitet. Ihr Kind war im Hort sowie im Kindergarten, aber: "Ich war massiv auf meine Eltern angewiesen." Der Kindergarten hatte von 7 bis 17 Uhr geöffnet, man könne es aber kleinen Kindern nicht zumuten, täglich zehn Stunden in der Einrichtung zu verbringen. "Wenn die 12-Stunden-Regelung kommt, geht sich das mit den Kindergartenöffnungszeiten nicht aus." Auch verwies sie auf die Wegzeit, wodurch der Arbeitstag schnell zu einem 14-Stunden-Tag werde: "Wie soll sich das ausgehen? (...) Wer stellt die unflexible Alleinerzieherin noch ein?"

"48 Stunden sind Realität"

Die schwarz-blauen Pläne empören auch Berend Tusch, Zentralbetriebsratsvorsitzender der Austria Trend Hotels. "Wir reden nicht von 40 Stunden oder einer 4-Tage-Woche. Die 6-Tage-Woche und 48 Stunden sind Realität", berichtete er von den Erfahrungen in der Gastronomie und Hotellerie. "Die Politik soll für Sicherheit sorgen, nicht nur an den Grenzen, sondern für Arbeitsplatzsicherheit", forderte Tusch, der bei der Vorgangsweise von ÖVP und FPÖ von einer "Katastrophe" und "Schweinerei" sprach.

Dass die Regierungsparteien nun erklärten, dass die Freiwilligkeit ins Gesetz geschrieben wird, beruhigte Muchitsch noch nicht: "Das glaube ich erst, wenn es schwarz auf weiß ist." Der Abgeordnete fürchtet, dass sich dieser Passus nur in den Erläuterungen findet: "Diejenigen, die dieses blöde Gesetz geschrieben haben, haben keine Ahnung von der Realität." Muchitsch pochte darauf, dass auch die Freizeit- und Erholungsphase im Gesetz festgehalten wird.

Der Vorsitzende betonte weiters, dass der "große überwiegende Teil der Unternehmer" auf ihre Leute schaut, aber: "Dieses Gesetz ist ein Freibrief für die schwarzen Schafe in der Wirtschaft." Er bekräftigte daher das Angebot an die Bundesregierung: Der Antrag soll zurückgezogen und dem Sozialausschuss zugewiesen werden. Über den Sommer sollen dann alle Gefahren und Vorteile beleuchtet werden und nach einer sechswöchigen Begutachtung "garantiert" er als Ausschussvorsitzender eine Sitzung, damit das Gesetz im September beschlossen werden könnte. "Zurück an den Verhandlungstisch", forderte Muchitsch.

(APA)

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