Ein Messestand fürs imperiale Erbe

Kulturminister Gernot Blümel in der „Nutshell“ von einem österreichischen EU-Kulturprogramm.
Kulturminister Gernot Blümel in der „Nutshell“ von einem österreichischen EU-Kulturprogramm. (c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Österreichs EU-Kulturprogramm ist genant und kreist um eine leuchtende Bilderbox.

Bei Österreichs EU-Ratsvorsitz 2006 folgte man mit dem Kulturprogramm noch einer alten österreichischen Tradition (seit Klimts Fakultätsbildern): der Provokation und öffentlichen Debatte über zeitgenössische Kunst. Wolfgang Lorenz' international ausgeschriebenes Plakatprojekt musste teils abgehängt werden, wir erinnern uns natürlich nur an die zwei entfernten Motive: das Polit-Gruppensex-Motiv und den EU-Slip, den Tanja Ostojić Courbets berühmtem „Ursprung der Welt“ verpasste. Vor derlei braucht man sich diesmal nicht zu fürchten, wie bei der Präsentation des EU-Kulturprogramms von Kulturminister Gernot Blümel am Montag schnell klar wurde.

Schon unter der vorigen Regierung, so Blümel, wurde mit der Planung dieses Programms begonnen. Dessen Herzstück, worauf Blümel besonders stolz sei, stand bei der Pressekonferenz im zweiten Stock des Kunsthistorischen Museums hinter ihm aufgebaut: Das vom KHM konzipierte „Museum in a Nutshell“ wird im EU-Ratsgebäude stehen wie ein milde leuchtender Tourismus-Messestand für das völlig unreflektierte imperiale österreichische Kulturerbe.

Auf diesem „Display“ scheinen Fotos von „Meisterwerken“ aus allen Bundeskunstmuseen in Sankt-Petersburger-Hängung auf. Die Bilder und Objekte sollen das Motto „Europa vereint in der Kunst“ illustrieren, irgendwie, denn außer knapper Bildbeschriftung wird nichts erklärt. Was gerade bei kolonialer Beutekunst wie der „Federkrone des Montezuma“ aus dem Weltmuseum nicht passieren darf. Noch dazu in Brüssel. Was hätte man da für eine brisante Diskussion anregen können. Auch die einst tatsächlich nach einer europäischen Identität ringende Symbolik der Kaiserkrone versucht man erst gar nicht zu erklären. Sie prangt wortlos an der Eingangsseite, hässlich vom kargen Einleitungstext und den sich durchdrückenden Gerüststangen durchbrochen. So viel zu Wiens unter den Secessionisten einst tatsächlich weltweit führender Rolle in Ausstellungsgestaltung.

Apropos: Klimts „Kuss“ darf zu dessen sicherem Leidwesen auch nicht fehlen Er ist einer der 3-D-Exponate, die in vitrinenartigen „Satelliten“ die Box umstehen. Es handelt sich dabei natürlich um Reproduktionen, die des „Kusses“ scheint im Billig-Souvenirshop gekauft zu sein, sie hat sogar einen goldenen Rahmen, der die abschließende Aureole der Küssenden brutal abschneidet. Und das in Brüssel, der Stadt, in der das minutiös geplante Hauptwerk der Secessionisten, das Palais Stoclet, steht. Es ist zu traurig, weiter darüber zu schreiben.

Ein paar Klimt-Originale sieht man immerhin ab September in der vom „Bozar“ übernommenen Belvedere-Ausstellung „Klimt ist nicht das Ende“. Das Stationentheater „Ganymed“ wird im Königlichen Kunstmuseum gastieren. Hannah Riegers löbliche Sammlung der unterbewerteten Künstlerinnen der Art brut hat auch einen Platz im EU-Programmfolder Österreichs ergattert (ab Oktober im Museum Art et Marges). Und die Philharmoniker werden auch spielen. Dann wird ja alles gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2018)

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