Nuri: Wo sich die Nuri-Sardinen betten

Matosinhos bei Porto
Matosinhos bei Porto Anna Burghardt
  • Drucken

Sie sind ein nostalgiegeladenes Kultprodukt: die gelben Nuri-Dosen. Zu Besuch in der portugiesischen Manufaktur.

Unter dem Marmorbecken glitzern paillettenartige Punkte auf dem Betonboden. Einzelne Fischschuppen. Am anderen Ende der Halle fallen schwalbenschwanzgestaltige Sardinenhinterteile auf mattgelbe Fliesen, und ein halb geheimes Stockwerk höher beleuchtet ein altes Fabrikfenster das Lorbeergrün ausladender Äste auf dem Holzdielenboden. Allerorts Spuren der Handarbeit in der historischen Fábrica de Conservas Pinhais in Matosinhos nahe Porto. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1920, die Marmorbecken, in die die Fischlein im ersten Produktionsschritt gekippt werden, ebenso, und so manche Mitarbeiterin hat hier schon ihr zigstes Dienstjubiläum gefeiert. Nur die Sardinen, die sind denkbar frisch.

In aller Herrgottsfrüh bringen die Fischkutter den Fang der Nacht in den Hafen von Matosinhos. Hier wird auch gehandelt, was innerhalb weniger Stunden in die berühmten – und für den wichtigen österreichischen Markt per Hand in gelbes Papier und Folie gewickelten – Nuri-Dosen kommt: portugiesische Sardinen. Der Kilopreis in der Hafenbörse, wo die Händler von orangen Hartschalensitzreihen aus die Anzeigetafel beobachten: rund ein Euro.

Die Kult-Sardinen waren aufgrund einer niedrigen Fangquote angesichts der Überfischung Anfang 2015 aus den Regalen verschwunden. Liebhaber deckten sich in kleinen Greißlereien mit Restbeständen ein, um nicht auf ihr gewohntes Sardinenbutterbrot verzichten zu müssen. Der Unternehmer Jakob Glatz, dessen Familie die Nuri-Sardinen schon seit den 1950er-Jahren importiert, kaufte die historische Firma, um den Fortbestand zu sichern. Seit August 2017 sind die Dosen dank besserer Sardinenbestände wieder regulär auf dem österreichischen Markt – wie groß der Hype nach der Nuri-Rückkehrin den Social Media war, kam wohl für alle überraschend.

Während nach Österreich drei Nuri-Sorten exportiert werden, kann man in der Fabrik in Matosinhos selbst – durch eine altmodische Bestellluke im Foyer der Produktionshalle – Dosen in vielen Farben kaufen: Blau, Rosa, Rot, Orange . . . Neben Sardinen werden hier nämlich auch Makrelen in Dosen gepackt. Mitunter mogeln sich während der Sardinenproduktionszeiten auch einzelne Makrelen desselben Formats unter die fangfrischen Sardinen und das Crushed Ice – die getupften Fremdgänger in den Marmorbecken zu erkennen und herauszufischen, ist den erfahrenen Mitarbeitern ein Leichtes. Die Sardinen selbst werden zunächst mit kleinen Messern per Hand geköpft. Quasi in derselben Bewegung drehen die Arbeiterinnen in weißen Kitteln mit einem routinierten Griff den Eingeweidestrang heraus. So schnell, dass es für das bloße Auge der Besucher ein Rätsel bleibt.

Die Fische kommen in Becken mit Salzlake, die wieder abgewaschen wird, danach werden sie einzeln mit flinksten Bewegungen in Grillgitter gesteckt. Hochkant, die Schwanzflosse oben. So kann die Hitze in den übermannshohen Dampfgarkammern (diese werden von Männern im Blaumann bedient, den Rest erledigen die Damen in Weiß) das fette Fischfleisch gleichmäßig durchdringen. Andere Dosenfischfabriken sparen sich oft diesen Schritt und sterilisieren stattdessen das fertige Produkt; dabei, meint Nuno Rocha, Sales Director von Nuri, werde der Fisch aber unregelmäßig gegart.

Währenddessen bereiten Frauen an einem winzigen, gerade einmal dosenbreiten Fließband die Gewürzeinlagevor. Arbeitsteilung, auf die Spitze getrieben. Eine legt in jede Dose, die an ihr vorbeizieht, ein einzelnes Pfefferkorn. Die nächste eine Chilischote. Eine andere eine Gewürznelke. Einen Streifen Lorbeerblatt, von einer Kollegin im absolut stillen Obergeschoß per Hand in eine Kiste geschnipselt. Die Salzgurken- und Karottenscheiben, die ebenfalls als Sardinenunterlage in die Dosen kommen, werden an einem weiteren Tisch geschnitten. Per Hand oder Kurbelmaschine und jedenfalls mit Bedacht.

Die inzwischen zart gegarten Sardinen indes werden von anderen Frauen mit Scheren zurechtgeschnitten. Schwanz ab, Kopfkontur nachgesäubert, ab in die Dose. Die gefüllten Dosen bilden neben jeder Mitarbeiterin eine Art Jenga-Turm und werden sodann in Richtung Ölfüll­anlage getragen. Das Olivenöl wird in einem eigenen Raum aufbereitet, es muss besonders mild sein. Verschweißt landen die Sardinendosen in Seifenwasser und ganz am Schluss der Arbeitskette, die fast zur Gänze händisch abläuft, auf einem charakteristischen Bogen Nuri-Papier. Wickel, wickel, kleb, kleb – jetzt erst ist dieses Manufakturprodukt fertig. Eine Dose Nuri-Sardinen.

Tipp

Nuri-Sardinen sind in Österreich in drei Varianten erhältlich. In der Fabrik in ­Matosinhos bei Porto bekommt man eine breitere Auswahl, Av. Menéres 700.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.