Spanien: Justiz zieht internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont zurück

Carles Puigdemont hielt sich zuletzt in Berlin auf.
Carles Puigdemont hielt sich zuletzt in Berlin auf.REUTERS
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Die spanische Justiz verzichtet auf die Auslieferung des katalonischen Separatistenführers Carles Puigedemont. Dessen neue politische Bewegung bekommt immer mehr Zulauf.

Wende im Fall Carles Puigdemont: Die spanische Justiz verzichtet darauf, den katalanischen Separatisten-Anführer nach Spanien ausliefern zu lassen. Puigdemont ist derzeit in Deutschland, wo die Justiz eigentlich bereits grünes Licht dafür gegeben hätte - allerdings nicht in dem Ausmaß, wie es die spanische Regierung gerne gehabt hätte. Der Ermittlungsrichter am Obersten Gericht in Madrid, Pablo Llarena, habe den europäischen Haftbefehl zurückgezogen, teilte das Gericht laut Medienberichten mit.

Die deutsche Justiz hatte letzte Woche beschlossen, den ehemaligen Regionalregierungschef Puigdemont an Spanien auszuliefern. Als "großartige Nachricht" feierte Kataloniens aktueller Regionalpräsident Quim Torra den Beschluss. Denn die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein brachte Spanien mit diesem Vorgehen in ein Dilemma. Denn Deutschland wollte Puigdemont nur unter dem Tatbestand der Veruntreuung öffentlicher Gelder ausliefern, die zur Finanzierung des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober vergangenen Jahres benutzt wurden. Damit dürfte ihn die spanische Justiz nicht wie geplant wegen "Rebellion" verurteilen.

Der zuständige oberste Richter hatte bereits im Frühling einen internationalen Haftbefehl zurückgezogen, als auch die belgische Justiz beschloss, den im Oktober vor der spanischen Justiz nach Brüssel geflohenen Puigdemont nicht unter dem Tatbestand der "Rebellion" nach Madrid auszuliefern.

Zweierlei Maß

Dass dies die beste Lösung ist, davon war auch Ignacio Gonzalez Vega, Sprecher des spanischen Richterverbands "Richterinnen und Richter für die Demokratie", schon vor dem Urteil überzeugt: "Es wäre paradox und absurd, Puigdemonts inhaftierten Minister wegen Rebellion zu fast 20 Jahren Haft zu verurteilen und der Regierungschef käme als Hauptverantwortlicher mit einer sehr viel geringeren Strafe von bis zu maximal fünf Jahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder weg", erklärt Gonzalez Vega das Dilemma Spaniens.

Die spanische Regierung, die Staatsanwaltschaft und auch zahlreiche Richterkollektive zeigten sich enttäuscht von der Entscheidung der deutschen Justiz, die Puigdemont nicht wegen "Rebellion" an die spanischen Behörden ausliefern will, da diese Straftat in dieser Form nicht im deutschen Strafrechtskatalog geführt wird und die Richter es nicht als erwiesen ansahen, dass Puigdemont zur Gewalt gegen den Staat aufgerufen habe.

Neue Bewegung erhält großen Zulauf

Puigdemont ließ auch im deutschen Exil nicht locker: Zusammen mit seinem Nachfolger Quim Torra hat er eine neue politische Bewegung zur Abspaltung der Region von Spanien gestartet. Unter dem Namen "Crida Nacional per la Republica" (Katalanisch für: Nationaler Ruf nach der Republik) soll sie alle Befürworter einer Unabhängigkeit vereinen.

Die Bewegung erfreue sich riesigen Zulaufs, berichteten spanische Medien am Dienstag unter Berufung auf separatistische Politiker. Bereits in den ersten beiden Stunden nach der Verlesung eines Manifests bei einem Festakt in Barcelona am Montagabend hätten rund 3.500 Interessenten um Mitgliedschaft angesucht. Bis zum Dienstag am Vormittag seien es schon 13.000 gewesen.

Mehrere Separatisten-Führer in U-Haft

Puigdemont hat das Projekt zusammen mit dem neuen katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra sowie dem Aktivisten und Politiker Jordi Sanchez aus der Taufe gehoben, der derzeit in Untersuchungshaft sitzt. Im Herbst soll aus der Bewegung eine weitere Partei werden. Derzeit gibt es mindestens drei separatistische Parteien in der Region, von denen aber voraussichtlich nur eine - Puigdemonts PDeCAT - in dem neuen Projekt aufgehen wird. Die andere große Partei, Esquerra Republicana (ERC), hat bereits angekündigt, sich dem neuen Projekt nicht anschließen zu wollen.

"Wir sind stärker, wenn wir übergreifend und vereint handeln können", hatte Puigdemont am Montagabend erklärt. Er war per Video aus Deutschland zu dem Festakt in Barcelona zugeschaltet. Der 55-Jährige war im Zuge des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober zunächst nach Brüssel geflohen und hält sich derzeit in Deutschland auf. Die Justiz in Schleswig-Holstein will ihn wegen des Vorwurfs der Veruntreuung an Spanien ausliefern - aber nicht wegen Rebellion, dem Hauptvorwurf der spanischen Justiz.

Weitere katalanische Spitzenpolitiker sitzen in Untersuchungshaft. Dennoch hatten die Separatisten bei einer Neuwahl im Dezember erneut die Mehrheit errungen.

(APA/dpa)

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