Affäre um prügelnden Sicherheitsberater des Präsidenten weitet sich aus: Innenminister wird von Parlament befragt, Opposition spricht von „Watergate“.
Paris. Die Affäre um einen gewalttätigen Sicherheitsbeamten, der Demonstranten verprügelt haben soll, bringt Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron, immer mehr unter Druck: Am Montag wird dazu im Parlament Innenminister Gérard Collomb Rede und Antwort stehen müssen. Die Opposition fordert bereits seinen Rücktritt.
Am Sonntag tauchten neue Beweise auf, die Alexandre Benalla – Macrons „Rambo“ – belasteten: Auf Videos ist ein Mann in Zivilkleidung zu sehen, der bei einer Kundgebung zum 1. Mai in Paris einen auf dem Boden liegenden Mann schlägt und danach eine junge Frau misshandelt. Dieser vermeintliche Ordnungshüter, der auf einem anderen Video auch eine Polizei-Armbinde trägt, ist kein Polizeibeamter, sondern – wie die Zeitung „Le Monde“ herausfand – der persönliche Sicherheitsverantwortliche von Präsident Macron. Benalla war von Macron schon während der Präsidentschaftskampagne für seinen Schutz rekrutiert worden.
Allein dass Macron diesen erst 26-jährigen Mann rekrutierte, ist erstaunlich: Er verfügt über keine spezielle Ausbildung oder polizeiliche Erfahrung. Fragen werfen auch die vielen Privilegien auf, die dieser junge Mann genoss, den man bei allen Gelegenheiten – selbst im Skiurlaub – an der Seite des Ehepaars Macron sah: Nicht nur erhielt er ein unverhältnismäßig hohes Gehalt, sondern er verfügte auch über ein mit Polizeizubehör ausgerüstetes Dienstfahrzeug mit Chauffeur, einen Ausweis für einen praktisch unbeschränkten Zugang zur Nationalversammlung sowie seit Anfang Juli eine luxuriöse Wohnung in einer Dépendance des Elysée-Palasts, in dem er ebenfalls über ein Büro verfügte.
Innenminister Collomb wurde bereits Anfang Mai von den Vorfällen bei der Demo informiert. Offenbar gab er diese Informationen über den illegalen Eingriff Benallas sofort an das Büro des Staatspräsidenten weiter – die Justiz setzte er allerdings nicht in Kenntnis, was er aber hätte tun müssen.
Macron erwies sich augenscheinlich als äußerst nachsichtiger Arbeitgeber. Benalla wurde lediglich für 14 Tage „suspendiert“. In der Hoffnung, die Wahrheit würde nie an den Tag kommen, versuchte man im Elysée, die peinliche Angelegenheit zu vertuschen.
Offenbar hatte die „Einmischung“ eines Rambos in ihre Arbeit die zuständigen Polizisten aber dermaßen erzürnt, dass sie die Infos über die Prügelei an Medien weitergaben und damit „Le Monde“ ermöglichten, Benalla zu identifizieren.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Jetzt hat sich auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet: Gegen Benalla und einen seiner Mitarbeiter wird wegen „Gewalt und Anmaßung von Polizeibefugnissen“ ermittelt. Vor dem Untersuchungsrichter müssen sich auch drei hohe Mitglieder der Pariser Polizei verantworten. Sie sollen Benalla anscheinend auf dessen Wunsch oder Befehl hin Aufnahmen der Videoüberwachungskameras zugespielt haben.
Bisher äußerte sich Macron nicht. Die Opposition wirft ihm indes schwere „Vertuschung“ vor: Der Skandal habe „das Niveau von Watergate“, sagte Linkspartei-Chef Jean-Luc Mélenchon in Anspielung auf die Affäre, die 1974 US-Präsident Richard Nixon zu Fall brachte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2018)