Arbeitsmarkt: Industrie fehlen 1000 HTL-Abgänger

Obwohl bereits jede vierte Matura an einer HTL absolviert wird, fordert die Industriellenvereinigung, dass der Schultyp in der neuen Schulverwaltung noch mehr gefördert wird.
Obwohl bereits jede vierte Matura an einer HTL absolviert wird, fordert die Industriellenvereinigung, dass der Schultyp in der neuen Schulverwaltung noch mehr gefördert wird.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Industrieunternehmen tun sich schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Laut Industriellenvereinigung könnten die Firmen jährlich 1000 HTL-Absolventen mehr aufnehmen.

Wien. Der österreichischen Industrie geht es weiterhin gut, dennoch spricht der Vizegeneraldirektor der Industriellenvereinigung (IV), Peter Koren, von einem „Konjunktursommer mit Gewitterwolken“. Die Wolken kommen in der Regel von weit her, aus den USA und China etwa, deren Handelskonflikt auch Österreichs Wirtschaft einen unangenehmen „Klimawandel“ bescheren könnte, aber auch die „unkoordinierten Vorgänge“ rund um den Brexit bergen hohes Gefahrenpotenzial. Auf den Rohstoffmärkten könnte es ebenfalls zu Kapriolen kommen, Koren verwies etwa auf die Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Ein Anstieg des Ölpreises könnte den Wirtschaftsmotor abrupt abwürgen.

Doch einige Gewitterwolken bilden sich auch am heimischen Himmel, sind also hausgemacht. Koren spricht dezidiert das Bildungssystem an, da seien noch einige „Hausaufgaben zu machen“, sagt er. Dass es nach wie vor massive „Rekrutierungsprobleme bei hoch Qualifizierten“ gibt, zeige eine Umfrage der Industriellenvereinigung bei ihren Mitgliedsunternehmen.

Demnach geben 57 Prozent der Unternehmen an, große Probleme bei der Anwerbung von Arbeitskräften im Bereich Technik und Produktion zu haben. Auf dem Gebiet Forschung und Entwicklung haben immerhin 44 Prozent der befragten Industriebetriebe große Schwierigkeiten, gute Leute zu finden.

Fachkräftemangel spitzt sich zu

Insgesamt gaben acht von zehn Betrieben in den angeführten Bereichen an, dass es ihnen schwerfällt, Fachkräfte zu bekommen. Drei von vier Unternehmen fürchten sogar, dass die Engpässe beim qualifizierten Personal mit der steigenden Digitalisierung zunehmen werden.

„Die Industrie könnte jährlich 1000 HTL-Absolventen mehr aufnehmen“, sagt Koren. Schon heute bekämen jedes Jahr 1500 HTL-Abgänger einen Job, der eigentlich für Universitätsabsolventen vorgesehen wäre, berichtet der Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung.

Obwohl also in Österreich 63.000 Schülerinnen und Schüler an 75 HTL unterrichtet und jährlich 8300 mit der Schule fertig werden, gibt es zu wenig Nachwuchs. Mittlerweile leidet der Schultyp schon selbst an Lehrermangel beim technischen Personal, konstatiert Koren. Schließlich gibt es für Techniker lukrativere Jobangebote in der Privatwirtschaft. In Österreich haben etwa 200.000 Berufstätige einen HTL-Abschluss, das sind 4,7 Prozent der Beschäftigten.

Obwohl bereits jede vierte Matura an einer HTL absolviert wird, fordert die Industriellenvereinigung, dass der Schultyp in der neuen Schulverwaltung noch mehr gefördert wird und an Bedeutung gewinnt. Bis 2022 wünscht sich die Industrie eine Verdreifachung der sogenannten Mint-Schulen und Mint-Kindergärten. Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Um dem Lehrermangel an der HTL entgegenzuwirken, soll es leichtere Zugänge für Quereinsteiger geben.

Jeder vierte Job in der Industrie

Generell schaffen die heimischen Industrieunternehmen zwar weiterhin neue Arbeitsplätze, doch der Anstieg nimmt allmählich ab, betont IV-Chefökonom Christian Helmenstein. Hatte vor einem Jahr noch jedes dritte Unternehmen angegeben, zusätzlich Jobs schaffen zu wollen, so plant laut jüngster Befragung „nur“ noch jeder vierte Industriebetrieb, den Personalstand zu erhöhen.

Die Industrie ist in Österreich für 21,8 Prozent der Wertschöpfung verantwortlich und schafft knapp 26 Prozent der Arbeitsplätze. An der Konjunkturumfrage der IV nahmen 404 Unternehmen mit insgesamt 275.000 Mitarbeitern teil. (gh)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2018)

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