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Popfest Wien: Kinder des Lichts, Punk und Deppen des 20. Jahrhunderts

5. POPFEST WIEN
5. POPFEST WIENAPA/GEORG HOCHMUTH
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Wie politisch soll Pop sein? Wird wirklich alles immer schlimmer? Soll man sich von Getränkefirmen sponsern lassen? Auch um diese Fragen ging es beim viertägigen Festival auf dem Karlsplatz. Die Fülle der Konzerte war reich bis überfordernd.

„We will change the world. Because we have done so many times before.“ Wieder und wieder sagte und sang Andreas Spechtl diesen Satz, streng betont und doch bedächtig, begleitet von Musik, die zwischen Abend- und Morgenland zu schwirren schien. Ein Motto, ein Mantra – das dann in ein anderes überging: „We are children of the light, we will not stop to fight Dunkelheit!“

So wurde unter den barocken Gottesstrahlen der Karlskirche das Licht der Aufklärung beschworen: eine berührende Anrufung, der – nach einer ebenso aufgeladenen Interpretation von John Cales düsterem „Dying on the Vine“ – noch ein Ausflug in den Iran folgte, dessen „hidden homes“ Spechtl für sein Album „Thinking about Tomorrow, And How to Build It“ erkundet hat.

Ein würdiger Abschluss des neunten Wiener Popfests – und auch eine mögliche Einlösung dessen, was etliche Künstler auf der Bühne gefordert haben, etwa (ebenfalls in der Karlskirche) Veronika J. König alias Farce, die sich in ihrer Musik diesmal eher durch düster verhallte Gefilde bewegt hat: Pop müsse wieder politischer werden.

Am konkretesten kam dieser Forderung wohl die Frauenpunkband Schapka nach, die auf der Red Bull Music Stage auftrat, die namensgebende Firma aber dennoch – oder erst recht – heftig kritisierte, ganz nach dem Punk-Ideal: Wir lassen uns nicht kaufen.

In Scherzworte (etwa „Land der Pferde“ statt „Land der Berge“) packte der hantige Wiener Beschwerdechor seine Kritik an der Regierung, bevor Kurator Nino Mandl den österreichischen Fußball („Unentschieden gegen Ried“) als Objekt der Beschwerde gewählt hatte. Und bei der virtuos grantigen Band Kreisky weiß das beschwerdeführende Ich – im Sinn des Arik-Brauer-Klassikers („Dies ist ein beinhartes Protestlied, es richtet sich gegen jedermann, der sich betroffen fühlt – auch gegen mich selbst“) –, dass es auch selbst durchaus Anlass für Beschwerden sein kann, schließlich ist es ja, wie's in einem Song heißt, ein „Depp des 20. Jahrhunderts“. Für einen solchen wird natürlich alles immer schlimmer in der Jetztzeit, in der Wienerwald-Restaurants, CD-Sammlungen und Lederhosenverweigerer vom Verschwinden bedroht sind. Aber auch bei jüngeren Leuten hat man oft das Gefühl eines grundsätzlichen Pessimismus: der Trump und das Klima und der Orban und die soziale Kluft und jetzt auch noch diese Regierung . . . Der junge Liedermacher Felix Kramer fasste diese resignative Haltung in die Frage: „Sag, kommt nur mir das so vor, oder wird wirklich alles immer schlimmer?“

Dunkelgraue Lieder: Felix Kramer

Das ist, zumindest teilweise, Wahrnehmungssache, und so heißt das Lied auch: Kramer weiß, dass seine Hoffnungslosigkeit von innen kommt – und dass sie das nicht erträglicher macht. Lang schon hat man keinen jungen Mann gehört, der so graue Texte schreibt, deren schlichte Pointe oft ist: „Es woa nix.“ So heißt auch eines seiner besseren Lieder, in den weniger guten verschwimmt seine Larmoyanz in Selbstbeobachtungssätzen wie aus einer Therapiestunde. Sei's drum, musikalisch ist er, und man wird von ihm noch hören.

Bei Felix Kramer und auch bei der ein wenig an die verhuschte Hogwarts-Lehrerin Sybill Trelawney erinnernde, vom jungromantischen FM4-Publikum umjubelte Alicia Edelweiß herrschte jedenfalls Konzentration, fast Andacht im Akzenttheater. Ganz im Gegensatz zu den Konzerten bei der Seebühne, wo es fast unmöglich war, einen Platz zu finden, wo nicht Umstehende die Musik plaudernd zu überschreien suchten. Das bleibt ein Problem bei Gratisfestivals, das muss man wohl akzeptieren. Am besten erträgt man es bei Hip-Hop-Shows, wo man traditionellerweise zur Mitwirkung animiert wird, vom Duo Kreiml&Samurai etwa, das sein Publikum herzlich mit „Prost, ihr Schweine!“ anspricht und einen Wechselruf mit diesem kultiviert: „Wuff!“ „Oink!“ Auch das wird man sich vom Popfest 2018 merken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2018)

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