Cooler „Tatort“ Luzern: Mörderjagd in Echtzeit

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TatortSRG/Hugofilm
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Komplett ohne Schnitt kann man den "Tatort"-Kommissaren Liz Ritschards und Reto Flückiger zum Saisonauftakt der Krimireihe bei der Arbeit zusehen: Ein Mörder hat es auf Musiker und noble Gäste eines Benefizkonzerts abgesehen.

Unsere Wertung für diesen "Tatort":

10 von 10 Punkten

Worum geht's in "Die Musik stirbt zuletzt"?

Milliardär Loving ist ein großzügiger Kunstmäzen und Förderer des "Jewish Chamber Orchestra". Doch das Benefizkonzert, vor dem er seiner um Jahrzehnte jüngeren Rechtsanwältin einen Heiratsantrag macht, gerät aus dem Ruder: Erst erhält die Pianistin eine Morddrohung, dann bricht deren Bruder, der Klarinettist, vergiftet zusammen.

Worum geht‘s noch?

Mögliche Mörder gibt es hier viele, zumal die Familie Loving sich in einer Phase der Selbstzerfleischung befindet und gleichzeitig ihrer Umwelt mit einer Arroganz begegnet, dass man sich ohnehin wundert, dass nicht schon nach wenigen Minuten die Fetzen fliegen. Der Patriarch jedenfalls mag körperlich gebrechlich sein, er hat immer noch das Sagen - und eine Vergangenheit, die ihm zum Verhängnis werden könnte.

Wer ermittelt in "Tatort: Luzern"?

Diesmal ist Liz Ritschard (Delia Mayer) als erste am Tatort - weil sie mit dem Dirigenten befreundet ist und deshalb das Konzert besucht. Sie ermittelt ohne Dienstausweis (der hatte in der Clutch wohl keinen Platz) und in der Abendrobe. Kollege Reto Flückiger (Stefan Gubser) hingegen ist völlig underdressed - er kommt ja auch von einem Fußballspiel. Doch nicht nur im Dresscode stimmen die beiden an diesem Abend nicht überein, auch bei den Ermittlungen sind sie sich nicht einig. Geht ihnen der Mörder deshalb durch die Lappen?

Was gefällt?

Dieser "Tatort" wurde in Echtzeit gedreht - kommt also komplett ohne Schnitt aus. Die Schauspieler spielten die 90 Minuten durch, ständig verfolgt von der Kamera. So hat man das Gefühl, als wäre man mittendrin im Geschehen. Ein wagemutiges Unterfangen von Drehbuchautor und Regisseur Dani Levy, denn in einer einzigen Kameraeinstellung (One-Shot) zu drehen, bedeutet auch, dass es kleine Missgeschicke und Momente gibt, die überbrückt werden müssen. Levy hat das klug gelöst: Er lässt den Sohn des alten Loving als Moderator die Zuschauer immer wieder an seinen Gedanken teilhaben - was ein wenig an die direkt ans Publikum gerichteten Anmerkungen von Francis Underwood in "House of Cards" erinnert. Und der junge Loving (Andri Schenardi) begleitet die Kamera auch immer wieder auf längeren Wegen - etwa von der Toilette in die Bar - wobei er das Geschehen zynisch kommentiert. Das ermöglicht einen sehr intimen Blick, gibt dem Film aber auch einen angenehmen Drive.

Was gefällt noch?

Das Thema: Es geht um Schweizer Fluchthelfer für Juden während der Nazi-Zeit, um alte Verletzungen und alte Schuld, die nicht vergessen und vergben werden (können). Man fühlt sich dabei auch an aktuelle Fluchtbewegungen erinnert. Wie viele Generationen wird es dauern, bis diese Wunden heilen?

Wo hakt's

Nirgends. Das Experiment war gewagt - und ist gelungen. Cool.

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