Merkel erklärt Dublin-System für nicht funktionsfähig

Merkel mit Spaniens Premier Sanchez
Merkel mit Spaniens Premier Sanchez APA/AFP/CRISTINA QUICLER
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Die EU-Mitgliedstaaten müssten daran arbeiten, ein "faires Verteilsystem zu finden und gemeinsam die Rückführung zu organisieren", sagt Merkel nach einem Treffen mit Spaniens Ministerpräsidenten Sanchez.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat die bisherige europäische Asylregelung der Dublinverordnung als "nicht funktionsfähig" bezeichnet. "Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder ein Flüchtling in Deutschland ankommen", sagte Merkel nach einem Treffen mit Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sanchez am Samstag in Sanlucar de Barrameda. "Das entspricht aber nicht der Realität."

Deswegen müssten die EU-Mitgliedstaaten daran arbeiten, ein "faires Verteilsystem zu finden und gemeinsam die Rückführung zu organisieren", so Merkel. Sie sprach sich zum Auftakt ihres zweitägigen Spanienbesuchs erneut für eine multilaterale Antwort auf die Flüchtlingsfrage aus. Es handle sich um "eine Herausforderung, die wir gemeinsam zu bewältigen haben". "Kein Land kann sich vor dieser Aufgabe drücken", fügte sie hinzu. Weiter sagte Merkel, dabei müsse die EU ihre Grundwerte beachten, und dazu zähle die Menschenwürde. Rassismus stehe diesen Grundwerten entgegen, entsprechenden Tendenzen trete sie entschieden entgegen.

Spanien als neues Hauptankunftsland 

Spanien hat Italien inzwischen als Hauptankunftsland für Migranten in der EU abgelöst. Die neue rechtspopulistische Regierung in Rom lässt praktisch keine Bootsflüchtlinge mehr ins Land, zudem scheinen die libyschen Behörden verstärkt gegen Schlepper vorzugehen. Viele Menschen weichen deshalb in die Nachbarländer Algerien und Marokko aus, um von dort aus die Überfahrt nach Spanien zu versuchen.

Deutschland unterstütze die Bemühungen Spaniens, den steigenden Zustrom von Migranten von Marokko übers Mittelmeer nach Europa einzudämmen, betonte Merkel. Deutschland habe seinen Beitrag in den Europäischen Trustfonds für Tunesien und Marokko eingezahlt, "weil sie Unterstützung brauchen in der Grenzsicherung, weil sie auch Entwicklungszusammenarbeit brauchen", sagte Merkel. "Wenn die Differenzen zwischen den Perspektiven Afrikas und den Perspektiven Europas zu groß ist, dann werden die Ursachen von Migration und Flucht nicht zu bewältigen sein", warnte sie.

Merkel forderte eine enge Kooperation mit afrikanischen Ländern. Beide Seiten müssten etwas davon haben, "dass Schleppern das Handwerk gelegt wird". Es reiche nicht aus "über Afrika zu sprechen, sondern wir müssen mit Afrika sprechen".

Abkommen mit Spanien in Kraft

Für das Abkommen zur Rückübernahme von Asylwerbern zwischen Deutschland und Spanien, das am Samstag in Kraft trat, fand Merkel Worte des Lobes. Die Vereinbarung mache deutlich, dass "dass Deutschland und Spanien auf europäische Lösungen setzen". Sie schätze das Abkommen "sehr, sehr hoch" ein, man könne damit "mehr Ordnung in die Sekundärmigration" bringen. Seit Samstag können an der deutsch-österreichischen Grenze überprüfte Flüchtlinge binnen 48 Stunden nach Spanien gebracht werden, wenn sie dort bereits einen Asylantrag gestellt haben. Seit Mitte Juni gab es bei den Grenzkontrollen in Bayern aber keinen einzigen Fall, der diese Voraussetzungen erfüllt hätte. Entsprechende Verträge mit Griechenland und Italien sollen folgen, wobei die Chancen auf ein Abkommen mit Italien eher schlecht stehen. Italien hatte sich bisher geweigert, Asylwerber zurückzunehmen.

Insgesamt wurden bei der Einreise an der deutsch-österreichischen Grenze nach Angaben des Innenministeriums seit Mitte Juni etwa 150 Personen festgestellt, die in einem anderen EU-Land Asyl beantragt hatten. Etwa die Hälfte davon sei auf Italien entfallen, etwa ein Fünftel auf Österreich. Die türkis-blaue Bundesregierung hat sich dazu bereiterklärt, Personen zurückzunehmen, die bereits einen Asylantrag in Österreich gestellt haben.

Dublin-Verordnung

Die Dublin-Verordnung ist ein für alle EU-Staaten verbindlicher Rechtstext, der festlegt, dass jenes EU-Land für die Bearbeitung von Asylverfahren zuständig ist, in dem Schutzsuchende erstmals EU-Boden betreten haben. Sie wird immer wieder heftig kritisiert, weil sie Länder an der EU-Außengrenze wie Ungarn, Italien, Griechenland oder Bulgarien besonders stark in die Pflicht nimmt.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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