Kinderbetreuung: Länder bekommen 142,5 Millionen vom Bund

Clemens Fabry
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In Summe sollen 180 Millionen Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung investiert werden. Ursprünglich wollte der Bund nur 110 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Kärntens Landeshauptmann Kaiser (SPÖ) sieht eine "Politshow".

Die Verhandler von Bund und Ländern haben eine Einigung zum weiteren Ausbau der Kinderbetreuung in Österreich erzielt. Eckpunkte sind, dass der Bundesbeitrag in den kommenden vier Jahren nun doch nicht reduziert wird, die Länder mehr zahlen und ein Kopftuchverbot kommt. Verkündet wurde das in einem Kindergarten in Fischamend. Ein fertiges Papier gab es dabei noch nicht.

Von Bundesseite waren Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Hein-Christian Strache (FPÖ) und als Hauptverhandlerin Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) angetreten, um das Ergebnis zu verkünden, von Landesseite Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

Letztere hatte gemeinsam mit ihrem Salzburger Parteikollegen Wilfried Haslauer die Länderinteressen in den langwierigen Verhandlungen vertreten. Das Ergebnis: Nachdem der Bund nur mehr 110 Millionen Euro zur Verfügung stellen wollte, sind es nun doch 142,5. Die Länder zahlen künftig 38 Millionen Euro pro Jahr (rund zehn Millionen mehr als bisher) für den Ausbau für Kinderbetreuung, der sprachlichen Frühförderung und für das verpflichtende letzte Kindergartenjahr.

Löger sieht "kein Budgetrisiko"

Dass der Bund den Ländern mehr Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung stellt als ursprünglich geplant, sieht Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) positiv. Der Hüter des Budgets, der zuletzt schon mehr Mittel für Bundesheeranschaffungen locker machte, zeigt sich zufrieden über die Einigung bei der Kinderbetreuung.

"Dass Familien zusätzlich unterstützt werden, halte ich für immens wichtig. Das neue Splitting zwischen Bund und Ländern, die ihren Beitrag genauso erhöhen, war ausschlaggebend, um am Ende nicht nur das Niveau zu halten, sondern jenes der Vorgängerregierung zu übertreffen", erklärte Löger in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Das leichte Plus vom Bund im Vergleich zu den erwartenden Ausgaben stellt kein Budgetrisiko dar."

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) wies indes die Kritik der SPÖ-geführten Bundesländer zurück, dass nicht mit ihnen geredet wurde und sie von der Einigung aus den Medien erfahren haben: Es habe ja in den letzten Wochen Stellungnahmen der Länder gegeben, denen entsprochen worden sei, meinte die Ministerin im Ö1-"Mittagsjournal". "Es kann eigentlich kein Land etwas dagegen haben, dass es jetzt bessere Konditionen gibt", glaubt sie. In Sachen Kopftuchverbot im Kindergarten musste die Ministerin einräumen, dass die Regierung nicht weiß, wie viele das überhaupt betrifft: "Es gibt hier keine validen Zahlen."

Kopftuchverbot soll kommen

Statt drei soll es in Hinkunft nur noch eine einzige all dies einschließende 15a-Vereinbarung von Bund und Ländern geben. Der Fokus liegt auf mehr Sprachförderung, dem Ausbau des Angebots für Unter-Dreijährige und der Erweiterung der Öffnungszeiten gemäß dem Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf, wie Bogner Strauß erklärte. Ziel sind demnach mindestens 45 Wochenstunden Öffnung und 47 geöffnete Wochen pro Jahr. Jedes Jahr soll zumindest ein zusätzliches Prozent der Kindergärten dies erfüllen, über die vier Jahre Laufzeit gesehen insgesamt sechs Prozent.

Von den Geldern fließen jährlich 70 Millionen Euro in den Gratiskindergarten, knapp 30 Millionen Euro in die Sprachförderung. Der Rest verteilt sich auf die anderen Maßnahmen.

Auch das Kopftuchverbot wird kommen, wie Strache unterstrich. Es gehe dabei um den Schutz der Mädchen, es sei dies "kein Eingriff in irgendeine Religion". Der Bund soll künftig über einen Wertekatalog Vorgaben machen, die Länder müssen diesen umsetzen und auf die Einhaltung achten. Als Konsequenz droht Einrichtungen, die sich nicht daran halten, der Entzug von Fördermitteln, sagte Kurz.

Zu sehen bekam man die Vereinbarung bei der Pressekonferenz nicht. Die Unterlagen seien vom Familienministerium gerade erst an alle Länder verschickt worden, erklärte Mikl-Leitner. Mit dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) habe sie bereits gesprochen. Er habe laut Mikl-Leitner unter dem Vorbehalt, sich die Details noch anschauen zu wollen, seine Zustimmung gegeben.,

Mehr Geld von den Ländern

Dass der Bund ebenso wie die Länder nun mehr als angenommen für den Kinderbetreuungsausbau zahlen muss, ist nach Angaben beider Seiten durchaus machbar. Man habe sich bei der Budgeterstellung bestimmte Spielräume einbehalten, sagte Kurz. Ähnlich äußerte sich Mikl-Leitner.

Mit einer gewissen politischen Erfahrung sei es nicht überraschend, dass die Bundeszahlung gleich bleibe, so der Bundeskanzler. Erfreulich sei aber, dass es nun mehr Geld von den Ländern gebe: "Das ist ein schöner Erfolg für die Kinder und alle Beteiligten. Wo das Geld genau herkommt, ist glaube ich für die Steuerzahler relativ egal."

Hier zu investieren, sei Gebot der Stunde, ergänzte Mikl-Leitner. "Es ist jedem bewusst, dass Familienpolitik auch Standortpolitik ist", schilderte sie die Länderperspektive. Für derart wichtige Investitionen verfügten auch diese über einen gewissen finanziellen Spielraum.

Bei der Präsentation des Verhandlungsergebnisses herrschte ansonsten Hochstimmung vor. Mikl-Leitner sprach von einem "Freudentag für unsere Familien", Familienministerin Juliane Bogner-Strauß von "großartigen Verhandlungen", auch wenn sie steinig gewesen seien. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ortete einen "schönen, wichtigen Erfolg", Kurz einen "guten Tag für die Kinder und Familien".

Gemeindebund lobt eigene "Beharrlichkeit"

Der Gemeindebund ist erfreut über die Planänderung: Dies sei auch der "Beharrlichkeit" des Gemeindebunds zu verdanken, sagte Präsident Alfred Riedl den Erfolg an die Fahnen. Der Fokus auf den Ausbau bei den Unter-Dreijährigen sei auch ein wichtiger Standortfaktor für die Gemeinden, betonte Riedl am Freitag.

Man habe in den vergangenen Wochen in unzähligen Gesprächen und Verhandlungen mit dem Bundeskanzler, den Ministern, Landeshauptleuten und Parlamentariern erfolgreich für mehr finanzielle Mittel für die Gemeinden gekämpft, unterstrich Riedl in einer Aussendung. Er forderte aber auch eine Gesetzesänderung, damit bei künftigen Verhandlungen zu 15a-Vereinbarungen die Gemeinden auch Vertragspartner von Bund und Ländern sind, denn: "Wir hätten uns in den letzten Wochen viele Debatten ersparen können, wenn wir als Gemeindevertreter von Anfang an am Tisch gesessen wären."

Kaiser: Mit SP-regierten Ländern wurde nicht gesprochen

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) machte unterdessen seinem Ärger über die "ÖVP-Politshow" in Sachen Kinderbetreuung Luft. Die Einigung über die Finanzierung des weiteren Ausbaus sei zwar prinzipiell zu begrüßen, allerdings sei mit den SPÖ-regierten Ländern gar nicht gesprochen worden.

Kaiser, der auch stellvertretender SPÖ-Bundesparteivorsitzender ist, meinte verärgert: "Nicht nur, dass es offensichtlich mit den SPÖ-geführten Bundesländern keinerlei Gespräche oder gar Verhandlungen auf politischer und damit auf Entscheidungsebene gegeben hat. Wenn der Entwurf für die 15a-Vereinbarung ohne jedes Gespräch dann auch noch gestern spätabends übermittelt wird, die ÖVP heute Morgen daraus eine Polit-PR-Show macht, dann ist das zwar ein neuer, aber denkbar schlechter Stil."

In Kärnten werde der Entwurf geprüft, genauso wie im Burgenland und in Wien. Man werde Experten konsultieren und dann Entscheidungen treffen. Am Kopftuchverbot, auch wenn es fragwürdig und populistisch sei, werde eine 15a-Vereinbarung nicht scheitern, so Kaiser.

ÖVP-geführte Länder erfreut

Die ÖVP-geführten Länder Salzburg, Vorarlberg und Tirol sind zufrieden mit der Einigung zur Kinderbetreuung. Die Länderinteressen seien voll berücksichtigt worden, sämtliche Kritikpunkte ausgeräumt, meinte der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Dass die Kürzungen abgewendet werden konnten, sei positiv. "Nach einem holprigen Start haben wir nun in sicheres Fahrwasser gefunden."

Laut Wallner war die Einigung "höchst an der Zeit". Nun sei die für die Länder und Gemeinden so wichtige Planungssicherheit gegeben, auch dank der Gültigkeit für vier Jahre. Damit könne der Ausbau der Kinderbetreuung fortgesetzt werden. In den nächsten Jahren fließen damit wie bisher rund sieben Mio. Euro jährlich vom Bund ins Land. Nach ersten Berechnungen ergebe sich durch die Anhebung des Finanzierungsschlüssels ein Mehraufwand für Vorarlberg von etwa 3,5 Mio. Euro jährlich, was aber keine große Veränderung bedeute, da Vorarlberg die Bundesmittel schon bisher aufstockte, wenn diese ausgeschöpft waren.

Die Vorgaben des Bundes seien angepasst worden und nun realistisch. So sei etwa die Erhöhung der jährlichen Betreuungsquote auf ein Prozent heruntergesetzt worden, auch harte Sanktionen wurden wegverhandelt. "Das ist jetzt praxistauglich", so der Landeshauptmann am Freitag. Dass der Ausbau der Öffnungszeiten, wo Vorarlberg einigen Nachholbedarf hat, auch mehr Personal bedeutet, verhehlte Wallner nicht. "Da müssen wir uns schon bemühen. Die Vereinbarung ist das eine, aber dauerhaft genügend geeignetes Personal zur Verfügung zu stellen, das andere", meinte Wallner.

Das Kopftuchverbot, das die Länder nun kontrollieren und sanktionieren sollen, habe für Vorarlberg anders als wohl für Wien laut der Kindergarteninspektion des Landes "kaum praktische Relevanz". Die Länder werden gemeinsam prüfen, wie eine Umsetzung der Vorgaben hier aussehen könne, "hier wird es keine Alleingänge geben". Wallner sprach sich einmal mehr für ein durchgängiges, verfassungskonformes Verbot im gesamten Kindergarten- und Bildungsbereich aus. Hier habe der Bund aber bisher keinen Vorschlag gemacht.

"Mit der nun höher als bisher angekündigten finanziellen Unterstützung seitens des Bundes können wir die hohe Qualität im Kinderbetreuungsbereich in Tirol weiter stärken", freuten sich Tirols Landeshauptmann Günther Platter und Bildungslandesrätin Beate Palfrader (beide ÖVP). Für die Gemeinden ergebe sich die wesentliche und wichtige Planungssicherheit. Platter begrüßte zudem, dass aus den drei Einzel- eine Gesamtvereinbarung entstand. "Der Kindergartenausbau, das Gratis-Kindergartenjahr und die sprachliche Frühförderung sind wesentlich, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken und die Kinder bestmöglich zu betreuen und zu fördern", meinte der Landeshauptmann. Palfrader kündigte indes an, in den kommenden fünf Jahren 4.000 weitere Betreuungsplätze, insbesondere für Volksschulkinder und Unter-Dreijährige, zu schaffen.

In Salzburg freute sich die zuständige Landesrätin Andrea Klambauer (NEOS) über die Einigung mit dem Bund: "Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung war für uns nicht annehmbar. Wir haben deshalb das Gespräch gesucht und verhandelt", teilte sie am Freitag per Aussendung mit - und bedankte sich zugleich bei Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), der die Verhandlungen mit dem Bund federführend geleitet habe. Aus Salzburger Sicht bedeute die Einigung jährlich knapp mehr als 9 Mio. Euro Bundesförderung.

Zum Punkt des von ihr im Vorfeld stark kritisierten Kopftuchverbots sagte Klambauer: "Wir konnten der neuen Verbotsregelung zustimmen, weil gesichert ist, dass sie verfassungskonform ist. Das war im alten Entwurf nicht der Fall." Praktisch erwartet sie ohnehin kaum Auswirkungen: "Faktisch gab es in Salzburg in den vergangenen Jahren kaum eine Handvoll Fälle, die alle durch einmalige Aufklärungsgespräche gelöst werden konnten."

(APA)

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