Analyse

Gegen Migration und für Gewerkschaften: Europas Volksparteien zielen auf die volle politische Breite

EVP TAGUNG 'MEHR FAIRNESS IN EUROPA': KURZ / WEBER / KARAS
EVP TAGUNG 'MEHR FAIRNESS IN EUROPA': KURZ / WEBER / KARASAPA/HANS PUNZ
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Die EVP legte in Wien ihren Wahlkampfkurs für die EU-Wahl 2019 fest. Sie will sich von rechten Nationalisten abgrenzen, allerdings das Thema Migration besetzen, im linken Spektrum fischen und Arbeitnehmerrechte wieder stärken.

Es wird ein Balanceakt, den der Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP) am gestrigen Donnerstag in Wien festgelegt hat. Die Parteienfamilie sieht sich trotz starker Konkurrenz von rechts im Aufwind und will nun ihre Basis noch verbreitern. Bei der Europawahl im kommenden Mai will die EVP sowohl im Lager der Rechten als auch der Linken fischen.

Auf der rechten Seite setzt die EVP unter Führung des Franzosen Joseph Daul und des Fraktionschefs im Europaparlament, Manfred Weber, auf eine klare Abgrenzung zu nationalistischen Gruppen. „Mehr Abschottung, mehr Nationalismus, mehr Ausgrenzung und weniger europäische Zusammenarbeit führen zum wirtschaftlichen Abstieg vor allem des Mittelstands“, warnte der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, in seiner Rede vor den EVP-Kollegen. Gleichzeitig sollen jene Themen aufgegriffen werden, die Wähler aus diesem rechten Lager derzeit berühren: Sicherheit und Migration. Sowohl Weber als auch Gastgeber Bundeskanzler Sebastian Kurz wiesen darauf hin, dass die „Migrationskrise gelöst werden muss“. Weber: „Wir müssen Themen aufgreifen, die die Menschen bewegen: Sicherheit und Migration.“

Die Strategie, den rechtspopulistischen Parteien die Themen abzugraben und sie gleichzeitig für ihre nationalistische Abschottungspolitik zu geißeln, ist nicht neu. Im Fall von Österreich könnte diese Taktik allerdings noch zu Verwerfungen in der ÖVP-FPÖ-Koalition führen. Denn mit dem beginnenden Europawahlkampf dürfte erstmals wieder das Trennende zwischen den beiden Parteien in den Vordergrund rücken. Der von Kanzler Kurz vorgegebene Harmoniekurs ginge zu Ende – insbesondere, wenn Othmar Karas wieder Spitzenkandidat der ÖVP wird. Dieser steht für eine klare Ablehnung rechtsnationaler und autoritärer Politik und vertritt eine deutlich proeuropäische Haltung.

Gleichzeitig mit der Strategie gegenüber dem wachsenden Einfluss rechter Parteien will die EVP aber auch das Vakuum im linken Parteienspektrum nutzen. Die Krise der Sozialdemokratie motivierte offenbar die EVP-Führung noch stärker als in der Vergangenheit, auf einen arbeitnehmerfreundlichen Kurs zu schwenken. Erste Signale sandte der Vorstand der Parteienfamilie mit dem gewählten Thema „Fairness“ aus.

Signal gegen Konzernpolitik

Für die sonst sehr wirtschaftsnah orientierten Volksparteien klang es denn auch überraschend, als Manfred Weber, der gern nächster EU-Kommissionspräsident werden will, in Wien plötzlich von der notwendigen Stärkung der Arbeitnehmerrechte sprach. Er möchte die Sozialpartnerschaft und insbesondere die Gewerkschaften unterstützen, kündigte er an.

Bundeskanzler Kurz sprach sich ebenfalls dafür aus, die „Fairness nachzuschärfen“. Er sprach das Thema Steuergerechtigkeit an und nannte das Beispiel von Konzernen, die in der EU Modelle entwickelt haben, um ihre Steuerverpflichtungen zu minimieren.

Unterstützung für Weber

Deutlich wurde bei der hochrangigen EVP-Sitzung auch, dass die Kandidatur von Manfred Weber als gemeinsamer Spitzenkandidat auf breite Unterstützung trifft. Ausdrücklich kündigte auch ÖVP-Chef Kurz an, Weber bei der endgültigen Nominierung bei einem EVP-Kongress im November in Helsinki zu unterstützen. Offen ist allerdings noch, ob der EU-Brexit-Verhandler Michel Barnier, der ehemalige finnische Premier Alexander Stubb oder weitere Kandidaten dort gegen Weber ins Rennen ziehen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2018)

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