Mehrheit der Moskauer ignorierte Bürgermeisterwahl

Bleibt wie erwartet im Amt: S. Sobjanin.
Bleibt wie erwartet im Amt: S. Sobjanin.(c) REUTERS (Sergei Karpukhin)
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Landesweit schwächelte die Kreml-Partei Einiges Russland. In vier Regionen kommt es zur Stichwahl um den Gouverneurssitz.

Moskau. Der Aufwand, den die Lokalbehörden vor der Bürgermeisterwahl in Moskau betrieben, um die Hauptstadtbewohner an die Urnen zu bewegen, war enorm. Werbeeinschaltungen auf den Straßen und in der U-Bahn hatten seit Wochen auf die Wahl hingewiesen, am Wahltag selbst warteten Marktstände mit lokalen Köstlichkeiten vor den Wahllokalen auf. Dennoch nahmen am Sonntag nur rund 30 Prozent der mehr als sieben Millionen Wahlberechtigten an der Abstimmung teil.

Bürgermeister Sergej Sobjanin wurde für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Konkurrenz hatte er keine zu befürchten gehabt: Bei der Wahl war kein Vertreter der Kreml-kritischen Opposition zugelassen worden. Auf Platz zwei landete der Kandidat der kommunistischen Partei, die als systemnahe Opposition toleriert wird. Sobjanin ist seit 2010 im Amt und hat durch sein milliardenteures Stadtverschönerungsprogramm der russischen Hauptstadt ein angenehmeres, europäischeres Antlitz verliehen. Der 60-Jährige war früher als Gouverneur des Gebiets Tjumen tätig und in der Präsidialverwaltung. Er gilt als loyaler Kader von Präsident Wladimir Putin.

Auch bei den Regional- und Kommunalwahlen im restlichen Russland setzten sich zumeist die Kreml-treuen Kandidaten durch, allerdings musste Einiges Russland Verluste hinnehmen. In vier Gebieten – darunter in Wladimir nahe Moskau – kommt es zu einer Stichwahl zwischen dem Kandidaten der Kreml-Partei Einiges Russland (ER) und Politikern der Kommunisten oder Liberaldemokraten um den Gouverneurssitz. Angesichts der Machtfülle von ER ist allein das schon ungewöhnlich.

Der Hauptgrund für das schwache Abschneiden der Regierungskandidaten ist wohl die Unzufriedenheit, die die geplante Rentenreform in der Bevölkerung hervorruft. Präsident Wladimir Putin hat vor Kurzem Abschwächungen angekündigt. Das Pensionsalter soll für Männer von 60 auf 65 und für Frauen von 55 auf 60 Jahre angehoben werden.

Mehr als 1000 Festnahmen

Die Rentenreform war auch Anlass für im ganzen Land abgehaltene Kundgebungen, bei denen am Sonntag mehr als 1000 Menschen festgenommen wurden. In Moskau sammelten sich Anhänger des derzeit inhaftierten Oppositionsaktivisten Alexej Nawalny auf dem Puschkinplatz und zogen später durch die Innenstadt – verfolgt von vergitterten Polizeibussen. (som)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2018)

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