Zum ersten Mal seit elf Jahren besucht ein südkoreanischer Präsident Nordkorea. Moon Jae-in wurde unter Jubel am Flughafen empfangen. Seine Aufgabe beim dritten Korea-Gipfel ist keine leichte: Ziel ist es, eine dauerhafte Friedenslösung zu finden.
Ein weiterer Gipfel zwischen Nord- und Südkorea hat neue Hoffnungen auf konkrete Fortschritte bei der atomaren Abrüstung des kommunistischen Regimes geweckt. Beim ersten Besuch eines südkoreanischen Präsidenten in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang seit elf Jahren stehen der Abbau des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms sowie eine Friedenslösung zwischen beiden Ländern im Fokus.
Für seinen südkoreanischen Gast Moon Jae-in organisierte Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un am Dienstag einen großen Empfang mit fast 100.000 jubelnden Menschen entlang der Straßen. Viele von ihnen riefen "Vereinigung, Vaterland".
"Ich habe so auf diesen Tag gewartet", sagte Kim. Er dankte Moon, dass er den "historischen" Gipfel zwischen ihm und US-Präsident Donald Trump vermittelt habe. "Das hat zu Stabilität in der Region geführt, und ich erwarte noch mehr Fortschritte."
Bei dem Gipfel mit Trump im Juni in Singapur hatte sich Kim zur Denuklearisierung der Halbinsel bereit erklärt, ein genauer Zeitplan oder weitere Details wurden aber nicht festgelegt. Seither übt Washington Druck auf Pjöngjang aus, um eine atomare Abrüstung konkret nachzuweisen.
Nordkorea lehnt eine einseitige Entwaffnung aber ab und fordert eine förmliche Erklärung zur Beendigung des Krieges. Der Koreakrieg (1950 bis 1953) endete lediglich mit einem Waffenstillstand, ein Friedensabkommen zwischen Nord- und Südkorea gibt es bis heute nicht.
Vom "Frühling von Panmunjom" zum "Herbst in Pjöngjang"
Beide Staatschefs äußerten ihren Wunsch nach handfesten Resultaten. "Wir haben lange gebraucht, um so weit zu kommen. Unsere Völker wollen, dass wir rasch größere Ergebnisse erreichen", sagte Kim bei der Ankunft von Südkoreas Präsident. Moon entgegnete unter Hinweis auf ihre ersten beiden Begegnungen im Grenzort Panmunjom im April und Mai: "Der Frühling von Panmunjom hat uns zum Herbst in Pjöngjang geführt. Es ist Zeit, die Ergebnisse einzufahren."
Moons Eltern waren während des Koreakrieges in den 1950er-Jahren aus dem Norden geflohen, die Halbinsel ist bis heute geteilt. Er sei sich der "schweren Verantwortung" bewusst, sagte er zu Beginn der Gespräche am Sitz der Regierungspartei Nordkoreas, das seit Jahrzehnten autoritär regiert wird. Er hoffe auf reiche Ergebnisse für alle 80 Millionen Koreaner. "Die ganze Welt sieht zu und ich würde gerne das Ergebnis von Frieden und Wohlstand den Menschen weltweit zeigen", fügte er hinzu.
Moon hofft, dass sein Besuch zu einer Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Nordkorea und den USA führen kann. Kim hatte bei seinen zwei Treffen mit Moon im Grenzort Panmunjom sowie bei dem historischen Gipfel mit Trump im Juni in Singapur allgemein seine Bereitschaft zur "Denuklearisierung" erklärt. Doch gab es keine konkreten Zusagen, wie und bis wann atomar abgerüstet werden und welche Gegenleistungen Nordkorea erhalten soll.
US-Nordkorea-Gespräche stocken
Die Verhandlungen sind festgefahren. Im August sagte US-Präsident Donald Trump eine Reise von US-Außenminister Mike Pompeo nach Pjöngjang kurzfristig ab, weil es aus seiner Sicht nicht genug Fortschritte gibt. Noch am Dienstag machte die nordkoreanische Seite allein die USA für den Stillstand verantwortlich. Eine Staatszeitung warf den USA "unsinnige, irrationale Sturheit" vor, auf der vollständigen Abrüstung als Vorbedingung zu beharren.
Während des dreitägigen Gipfels wollen Kim und Moon mindestens sieben- oder achtmal zusammentreffen. Auf die erste Runde der formellen Gipfelgespräche im Hauptquartier der Arbeiterpartei sollen am Mittwoch weitere Verhandlungen folgen. Ob am Ende eine gemeinsame Erklärung oder andere Vereinbarungen stehen, war nach südkoreanischen Angaben offen. Moon vermittelt nicht nur zwischen den USA und Nordkorea, sondern steht auch innenpolitisch unter dem Druck, dass sein Entgegenkommen auch bald Früchte tragen muss.
Ein Erfolg des Gipfels in Pjöngjang könnte den Weg für ein zweites Treffen zwischen Trump und Kim ebnen. Moon trifft den US-Präsidenten noch diesen Monat am Rande der UNO-Vollversammlung in New York.
USA wollen Sanktionen als Druckmittel aufrecht halten
Vor dem Abflug nach Pjöngjang telefonierte Südkoreas Außenministerin Kang Kyung-wha noch mit US-Außenminister Pompeo über die Ziele des Gipfels. Beide Seiten hätten bekräftigt, wie wichtig es sei, den Druck mit den Sanktionen aufrechtzuerhalten, bis das gemeinsame Ziel "einer endgültigen, komplett nachweisbaren Denuklearisierung" erreicht sei, sagte eine US-Sprecherin in Washington.
Unter den 200 Mitgliedern in Moon Delegation sind auch südkoreanische Wirtschaftsführer, darunter von großen Unternehmen wie Samsung und Hyundai. Sie wollen Kooperationsprojekte ausloten, die aber erst nach Wegfall der internationalen Sanktionen möglich wären. In der Delegation sind auch Stars der koreanischen Popmusik, die bei einem Konzert auftreten sollten. Ferner sind andere Persönlichkeiten der südkoreanischen Gesellschaft wie der berühmte frühere Fußballer und ehemalige Spieler der deutschen Bundesliga Cha Bum-kun mitgereist.
Das Treffen findet vor dem Hintergrund von Spannungen über die Umsetzung der Sanktionen gegen Nordkorea statt. Die USA beschuldigen Russland, die UNO-Strafmaßnahmen zu umgehen. Russland habe die Weltgemeinschaft "betrogen, und nun sind sie erwischt worden", sagte die amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley am Montag. Nordkorea hat nach US-Schätzungen zwischen Jänner und September rund 800.000 Barrel an Mineralölerzeugnissen wie Benzin, Diesel und Schweröl erhalten. Pro Jahr sind aber nur 500.000 Barrel erlaubt.
(APA/dpa/AFP)