Entfernt verwandt: Bentley Bentayga V8 und VW Up GTI

(c) Juergen Skarwan
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Ob man 18.000 Euro für einen Satz Bremsen ausgibt oder für ein ganzes Auto – es bleibt in der Familie.

Unterwegs trafen wir auf einen Käfer am Straßenrand, rot, die sinnlich geschwungenen Kotflügel schwarz, die Türe offen, der Besitzer irgendwo beim Rasenmähen. Wir haben den roten Up mit seinen schwarzen Zierteilen und hoffnungsfrohen Rallyestreifen für ein Erinnerungsfoto daneben gestellt. Und kurz innegehalten: Der Käfer, das war einmal ein ganzes Unternehmen namens Volkswagen, über Jahrzehnte ein Ein-Auto-Werk. Es gab den Käfer, und als man ahnte, dass das Sortiment für so ein Riesenwerk vielleicht doch ein bisschen schmal war, gab es Varianten vom Käfer, zum Beispiel jene, die man Nasenbär nannte. Das war dann auch nicht die Zukunft.

Die kam erst 1974 mit dem Golf, was zwei Jahre später einen Gesellen mit Kultstatus abwarf, den GTI, eine Palastrevolution auf unseren Straßen. Wenn seither die drei Buchstaben bemüht werden, muss man fragen: zu Recht? Äußerlich fehlt dem VW Up GTI die klare Giugiaro-Kante des Ur-Golf. Und so sehr er sich auch bemüht: Er sieht niedlich aus, das tat der 76er-GTI nicht, der wirkte verwegen mit seinem rot eingefassten Kühlergrill und dem forschen Blick. Der Up ähnelt mehr dem Käfer, dessen Evolution er darstellen könnte (hätte es eine gegeben). Im Radstand entspricht er dem Käfer zufällig exakt.
Das GTI-Label verpflichtet, selbst wenn es auf der kleinsten Baureihe des Hauses prangt. Im Vergleich zum normalen Up liegt das Fahrwerk des GTI um 15 Millimeter tiefer. Das Motörchen, ein Turbo-Dreizylinder mit einem knappen Liter Hubraum, schiebt 115 PS zur Vorderachse – drei PS mehr als der Ur-GTI aus seinem 1800er-Vierzylinder samt Einspritzung kitzelte. Der Up fährt sich hetzig. Man könnte, was wir ausdrücklich nicht empfehlen, auch mit verbundenen Augen einsteigen und hätte die Fuhre sofort im Griff. Alles geht spielerisch von der Hand, der Motor lehnt sich triumphierend gegen die 1070 kg Gewicht auf – dank Turbo liegen frühzeitig stattliche 200 Newtonmeter an, das ist schon ein ordentlicher Hebel für die kleine Kiste. Die sich übrigens nie kistig anfühlt, was spätestens dann von Vorteil ist, wenn 200 auf dem Tacho angezeigt werden.
Beim Up hat VW mittlerweile ein paar Makel ausgemerzt, so lässt sich – um einen bitter beanstandeten Punkt herauszugreifen – das Beifahrerfenster nun auch von der Fahrerseite aus elektrisch öffnen. Überhaupt ist das ein hübscher, aufgeräumter Innenraum, so funktionell, wie es VW gar nicht anders kann. Damit ist der Up GTI ein kleiner, genügsamer Allrounder mit origineller Note und genügend Atem auch für lange Autobahnetappen. Was genau einen davon abhalten sollte, ums gleiche Geld gleich einen Polo zu satteln – es muss wohl der Zauber des Labels sein.
Apropos. Die Familie ist mittlerweile groß und mächtig. Auf der entgegengesetzten Seite der Skala wartet ein Label, das alles baut, nur nicht Volkes Wagen. Seit Bentley zur Volkswagengruppe gehört, muss man zum richtig Geldausgeben nicht weiterziehen. Die Summe, die für einen Up GTI samt einem halben Dutzend kleiner Extras (Soundsystem beats, 430 Euro) anfällt, kann man beim Bentayga allein in die Bremsanlage mit Scheiben aus Karbonkeramik investieren. Stahl hat ja jeder. Die Soundanlage von Naim gibt es dagegen schon um 10.160 Euro extra. Es ist ja auch mehr Volumen zu beschallen.
Man merkt: In dieser Familie ticken nicht alle gleich. Im Bentayga ist alles im Überfluss vorhanden: Leistung, Leder, Gewicht. Dabei haben wir es sozusagen mit der Sparversion zu tun, denn den großen Bentley gibt es auch oder ursprünglich mit Zwölfzylinder. Dabei droht auch der Biturbo-V8 den Straßenbelag zu beschädigen, wenn man ähnlich vehement Gas gibt wie im Up GTI. Es reicht im Grunde ein Nicken der großen Zehe, um sich flugs auf Reisetempo zu wuchten. Wenn man fest reinsteigt, sind aus dem Stand 100 km/h in unter fünf Sekunden erreicht. Das fühlt sich dann freilich so an, als hätte man soeben den vollen Benzintank des Up durchgebracht. Und wenn schon! Im Bentayga will man auf nichts verzichten, und das möchte man gerne auch zeigen. Wer es noch etwas sportlicher mag, greift zum Cayenne Turbo von Porsche. Wer es richtig sportlich mag, zum Lamborghini Urus. Der V8 bleibt der gleiche. Soll es etwas bodenständiger sein, ist der VW Touareg oder Audi Q7 eine gute Wahl. In jedem Fall bleibt alles in der Familie.

Was etwas fehlt, ist das Bentley-Flair der alten Schule, als die Autos nicht ganz so perfekte Alleskönner waren, dafür Charisma besaßen. Insofern punktet der kleine Up zu guter Letzt: Am Geist seines Labels ist er näher dran als der große Brummer.

(c) Juergen Skarwan

Legitimer Nachfahre des Ur-GTI?

Was 1976 mit dem ersten Golf GTI ein ganzes Genre begründete – der fast gleich große Up GTI kann alles besser. Nur nicht mehr überraschen.

Name : VW Up GTI
Preis : 16.850 Euro (4-türig)
Motor : R3-Zylinder-Turbo, 999 ccm
Leistung : 115 PS
Antrieb : Vorderrad
Gewicht : 1070 kg
0–100 km/h : in 8,8 Sekunden
Vmax : 196 km/h
Verbrauch : ca. 6,5 l/100 km im Test

(c) Juergen Skarwan

Der reiche Onkel aus England

Wem ein Porsche Cayenne Turbo zu viel des Understatements ist, der findet im Bentayga V8 die kleidsame Verlängerung seines Kontostands.

Name : Bentley Bentayga V8
Preis : 228.550 Euro
Motor : V8-Zylinder-Turbo, 3996 ccm
Leistung : 550 PS
Antrieb : Allrad
Gewicht : 2395 kg
0–100 km/h : in 4,5 Sekunden
Vmax : 290 km/h
Verbrauch : 16,5 l/100 km im Test

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