Nicola Werdenigg: "Es soll Opfern Mut machen"

Nicola Werdenigg.
Nicola Werdenigg.(c) APA/DANIEL LIEBL
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Ex-Skirennläuferin Nicola Werdenigg zieht positive Bilanz nach einem Jahr.

Frau Werdenigg, Sie haben Ihre eigene Missbrauchs-Geschichte vor einem Jahr bekannt gemacht, zufälligerweise kurz nach dem Start der #MeToo-Bewegung. Was hat die Debatte in dem Jahr gebracht?

Nicola Werdenigg: Das Thema ist immer noch präsent. Aber die veröffentlichten Fälle sind sicher erst die Spitze des Eisberges. Was #MeToo ausmacht ist, dass damit nicht mutmaßliche Täter an den Pranger gestellt werden, sondern es soll Opfern Mut gemacht werden, zu reden. Allein in meinem Umfeld haben sich so viele gemeldet im letzten Jahr. Übrigens auch viele Männer, die sich generell noch schwerer tun, über solche Erlebnisse zu sprechen. Sportler, die sagen, mir ist das in diesem oder jenem Heim passiert oder ich bin von einem Politiker begrapscht worden. Es kommt längst nicht alles an die Öffentlichkeit, aber viel mehr als früher und das ist gut so. Der Sport ist insofern wichtig, weil er in der öffentlichen Aufmerksamkeit einen hohen Stellenwert hat.

Einer der häufigsten Kritikpunkte ist, dass unter #MeToo alles oder zu viel erfasst wird, der zwar ungewollte, aber harmlose Flirtversuch genauso wie die Vergewaltigung. Was sagen Sie darauf?

Es ist wichtig, dass wir ein Bewusstsein für die Begrifflichkeiten entwickeln. Es geht um Sexismus und um sexuelle Übergriffe – beides ist zu verurteilen, nur sind das unterschiedliche Dinge. Auch dafür braucht es die Debatte. Ich sehe in meinem Umfeld, dass schon ganz viel angekommen ist in der Öffentlichkeit. Vor allem Männer wollen immer wieder mit mir über dieses Thema reden, auch um sich zu kalibrieren und herauszufinden, was geht und was geht nicht.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich habe ganz klare Wünsche und Ziele. Erstens will ich weiter meinen Verein #WeTogether stärken. Und zweitens planen wir eine Vernetzungsplattform. Mein großes Anliegen ist eine europäische Clearingstelle für das Thema. Eine zentrale Organisation in der EU und dann in jedem Staat eine eigene Stelle, an die man sich wenden kann. Wir haben in Österreich zahlreiche, richtig gute Einrichtungen. Die Gleichstellungsbehörde, den Weißen Ring, den Verein 100 Prozent Sport, Kimi (Salzburg) – und all diese Stellen muss man vernetzen und bekannt machen. Soweit ich weiß, ist es auch in der Regierung angekommen, dass es eine Studie braucht, die die Fälle statistisch erfasst. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2018)

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