Kompetenzreform: Kein gegenseitiges Pflanzen mehr

Minister Josef Moser (hier im Tiroler Alpbach im August) will bei der Kompetenzreform die Richtung vorgeben.
Minister Josef Moser (hier im Tiroler Alpbach im August) will bei der Kompetenzreform die Richtung vorgeben.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Länder werden für Pflanzenschutz und Bezirksgrenzen zuständig, der Bund für Gerichtsschließungen. Heikle Punkte wie Mindestsicherung und Spitäler bleiben noch offen.

Wien. Erst wurden im Justizministerium mehrere Sprechpulte aufgebaut, dann auf eines reduziert. Die Landeshauptleute Michael Ludwig (Wien), Thomas Stelzer (Oberösterreich) und Günther Platter (Tirol) traten unabhängig von Reformminister Josef Moser vor die Kameras – wenn auch im selben Raum. Daraus Rückschlüsse zu ziehen, dass das Gesprächsklima zwischen Bund und Ländern schlecht sei, wäre aber falsch, wie Moser erklärte.

Die Ländervertreter waren dem Vernehmen nach zwar von der Idee einer großen Pressekonferenz überrascht worden. Inhaltlich kam man sich am Montag aber näher. So einigte man sich auf eine Vereinfachung bei der Kompetenzverteilung. Ein Ziel, das Bund und Länder eint. Die Reform soll diese Woche im Ministerrat beschlossen und im November im Parlament behandelt werden.

Die heiklen Themen aber blieben am Montag noch ausgespart und sollen erst im kommenden Jahr geklärt werden. Die wichtigsten Punkte der Einigung im Detail:

Klarheit bei Gerichten

Ein Übergangsgesetz von 1920 sah bisher vor, dass sich Bund und Länder in manchen Punkten gegenseitig blockieren können. So musste das Land zustimmen, wenn der Bund die Sprengel der Bezirksgerichte ändert, also etwa Bezirksgerichte geschlossen werden sollen. Künftig kann der Bund diese Entscheidung allein treffen.

In der Vergangenheit hat es bei Schließungen von Bezirksgerichten oft Widerstände aus den Ländern gegeben. Wenngleich Moser betonte, auch künftig das Gespräch mit den Betroffenen vor Schließungen suchen zu wollen, kann die Bundesregierung nun durchgreifen, wenn sie will.
Umgekehrt können künftig die Länder Änderungen ihrer politischen Bezirke beschließen, ohne, dass der Bund dabei mitredet.

Ende der Grundsatzgesetze

Ein Ziel der Reformgruppe ist die Abschaffung der Grundsatzgesetzgebung. Also jener Bereiche, in denen der Bund die Grundsätze per Gesetz vorgibt, die Länder aber die Ausführungsgesetze erlassen und die Materie vollziehen müssen.

Künftig werden die Länder allein für folgende Themen zuständig sein: Volkspflegestätten (sportliche Betätigung, Gesundheitspflege, Behindertenbetreuung), Kinder-/Jugendhilfe, Regelungen für Kuranstalten und natürliche Heilvorkommen (Thermalwasser), Bodenreform und Schutz der Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen (Mindestpflanzabstände).
Der Bund wird allein zuständig für Bevölkerungspolitik (z. B. Erhebung von Geburtenzahlen), öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung (Gemeindevermittlungsämter) und den Schutz von Mitarbeitern in der Land- und Forstwirtschaft.

Heikle Materien offen

Noch keine Einigung gibt es bei den drei heiklen Materien, die der Grundsatzgesetzgebung unterliegen. Es sind dies das Armenwesen (Stichwort Mindestsicherung), die Heil- und Pflegeanstalten (Krankenhäuser) und das Elektrizitätswesen. Diesbezüglich wird eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe nach einer Lösung suchen, die es im ersten Halbjahr 2019 geben soll.

Schon für den Beschluss der jetzt ausverhandelten Materien ist aber ein Verfassungsgesetz nötig. Neben der Koalition muss zumindest auch die SPÖ zustimmen, da sie eine Sperrminorität im Bundesrat hält.
Moser gab sich optimistisch, dass sich die nötige Mehrheit findet. Er erklärte, dass die Sitzung gezeigt habe, dass „dass über Parteigrenzen hinweg“ gearbeitet werde. Wiens SPÖ-Bürgermeister Ludwig erklärte, er werde seine „Möglichkeiten einsetzen, dass wir das in allen Gremien umsetzen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2018)

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