Kino: Das geheime Sexleben der Frauen

Die Mädels lernen was dazu: „Das kleine Vergnügen“ von Julia Frick (mit Dana Proetsch, Ana Ritopečki, Alice Frick, Schwester von Julia Frick, Petra Kleinert, Sabine Kunz, v. l . n. r.)
Die Mädels lernen was dazu: „Das kleine Vergnügen“ von Julia Frick (mit Dana Proetsch, Ana Ritopečki, Alice Frick, Schwester von Julia Frick, Petra Kleinert, Sabine Kunz, v. l . n. r.) Credit: Viennatainment
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„Das kleine Vergnügen“ von Julia Frick ist ein charmanter, einfühlsamer und lustiger Film über die wichtigste Sache der Welt. Fulminant: Petra Kleinert als pfiffige Ausreißerin Emma.

„Ich will meinen Orgasmus“, sagt die Frau. Im schwarzen, tief dekolletierten Mieder thront sie im Ehebett. Er kehrt ihr den Rücken zu und spricht: „Wir sollten uns trennen.“ Am nächsten Tag zerschneidet sie seine Hemden, die sie kurz zuvor noch liebevoll gebügelt hat. „Das kleine Vergnügen“ von Julia Frick wurde ohne Fördermittel hergestellt, angeblich weil es sich um einen Frauenfilm handelt, obwohl darin auch viele Männer auftreten. Die Geschichte (Drehbuch: Julia und Schwester Alice Frick) handelt von Hausfrau Emma, die einen Sexshop für Frauen eröffnet, nachdem sich ihr Mann Klaus, Anwalt mit Bürgermeister-Ambition, eine Jüngere angelacht hat.

Ganz neu ist die Idee nicht: 2006 war die verstorbene Burgtheater-Doyenne Annemarie Düringer, die aus der Schweiz stammt, mit anderen rüstigen Seniorinnen in Bettina Oberlis Film „Die Herbstzeitlosen“ zu sehen: Im stockkonservativen Emmental eröffnet eine 80jährige Witwe mit tatkräftiger Hilfe ihrer Freundinnen eine Dessous-Boutique.

Frick & Frick fächern das Thema etwas breiter auf: „Das kleine Vergnügen“ zeigt das Befremden über das schlüpfrige Geschäft, das bald in Begeisterung umschlägt, aber auch grausliche Mechanismen der Pornoindustrie, das Kippen der ganzen Familie, nachdem die Mama eigene Wege geht, und wie alle sich an die neuen Umstände gewöhnen, nach einiger Zeit. Der Film hat etwas von Fernseh-Ästhetik, er experimentiert nicht mit ungewöhnlichen Bildern, vielleicht wird er gerade deshalb ein Überraschungserfolg.

Kein ideales Paar

„Das kleine Vergnügen“ hat bereits auf Festivals in aller Welt Preise gewonnen, was zeigt, das Thema ist allgemeingültig und attraktiv wie die herrliche Komödie „Bei den Sch'ties“ von Dany Boon, die es bereits auf zwei Teile gebracht hat, allein der erste Teil lockte 20 Millionen Franzosen: Es geht um einen Postfilialleiter, der von Marseille an die belgische Grenze versetzt wird und sich in die tiefste Provinz verbannt fühlt.

Verwandt mit „Das kleine Vergnügen“ wirkt auch die schlichte, mit Italianità erfreuende deutsche Komödie „Maria, ihm schmeckt's nicht!“, auch hier gibt's schon eine Fortsetzung. Die Impulse, die diese Filme für eine europäische Identität, etwas abgerückt von Amerika und Hollywood mit seiner „Alle-Probleme-sind-lösbar“-Devise geben könnten, sind durchaus nicht zu unterschätzen, gerade weil man so leichten Herzens und ohne sich wegen mangelnden Niveaus groß zu genieren, lachen kann. Es gibt auch eine Queer-Komponente, Emmas Tochter verliebt sich in ein anderes Mädchen, was die Oma auf das häusliche Chaos zurückführt, das wird aber von der Tochter energisch zurückgewiesen.

„Das kleine Vergnügen“ ist trotz seines heiklen Themas, dem reißenden Absatz, den Sexspielzeug findet, geschmackvoll gestaltet und großartig besetzt: Petra Kleinert begeistert als Emma, blond, üppig, fügsam, aber schließlich in die Rebellion getrieben von ihrem Machomann Klaus, Marcus Strahl zeichnet diesen skrupellosen Biedermann facettenreich. Die zauberhafte Waltraut Haas ist als entrüstete Oma eine Idealbesetzung, Barbara Karlich spielt eine TV-Journalistin, also sich selbst, der Kabarettist Reinhard Nowak ist auch als Schauspieler durchaus verführerisch. Und Ramesh Nair als fescher Putzmann würde vermutlich besser zu Emma passen als der attraktive Charlie (Ben Ruedinger), der Inhaber des Pornoladens, der die erfolgreiche Eheflüchterin vielleicht nur küsst, weil die Gefahr besteht, dass sie ihm auf die Schliche gekommen ist – mit seinen üblen Geschäften.

„Ein kleines Vergnügen“ ist liebevoll und milieusicher gemacht, gedreht wurde in Eisenstadt und Wien. Der Zeitgeist (Esoterik und Sexualität) ist nicht penetrant hineingerührt, sondern ergibt sich von selbst – und auch Männer könnten von diesem Frauenfantasien-Film profitieren – oder sollte man lieber sagen sich lustvoll inspirieren lassen.

Die jungen Emanzipierten grenzen sich ja jetzt ganz gern von den alten, rabiaten Emanzen ab, aber dass Elfriede Jelineks „Lust“ die Männerwelt mit ihren allerübelsten eigenen Waffen schlug, sollte nicht vergessen werden, auch wenn dieses „Skandalbuch“ der mittlerweile mit dem Literaturnobelpreis geadelten Schriftstellerin  schon ein Weilchen her ist: 1989!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2018)

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