Pariser Modewoche: Das große Verwirrspiel

Kühles Nass. Für das Chanel-Defilee ließ Karl Lagerfeld einen künstlichen Strand mit bewegtem Meeresgestade ins Grand Palais bauen. Seine Kollektion: bunt, fröhlich, sommerlich.
Kühles Nass. Für das Chanel-Defilee ließ Karl Lagerfeld einen künstlichen Strand mit bewegtem Meeresgestade ins Grand Palais bauen. Seine Kollektion: bunt, fröhlich, sommerlich.(c) Kristine Sparow
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In Paris blickte die Modewelt voraus auf den Sommer 2019: Aufregung herrschte um ein Gastspiel, viel Gender-Bending und ein verlorenes „é“.

Für helle Aufregung sorgte im Vorfeld der Pariser Modewoche – zehn Tage lang zeigten die wichtigsten Marken ihre Entwürfe für den Frühling des nächsten Jahres – die Premiere von Hedi Slimane (einst gefeiert bei Dior Homme, dann bei Saint Laurent) bei der Marke Céline: Hier hatte zuvor Phoebe Philo smarte Mode für smarte Frauen gemacht. Slimane haute auf die Pauke (sein Boss, LVMH-Chef Bernard Arnault, lässt ihm offenbar freie Hand), entfernte gleich das „é" aus Céline, das man nun Celine schreiben muss – und legte eine Kollektion für Damen und Herren vor, die eins zu eins der Ästhetik entspricht, mit der Slimane in der Vergangenheit erfolgreich wurde. Seine Renaissance macht nun die Saint-Laurent-Mode seines Nachfolgers Anthony Vaccarello obsolet (er setzt nämlich weitgehend einfach Slimanes Vision fort), zugleich wird es spannend werden, ob er tatsächlich so große Anziehungskraft entfalten kann, dass sich der Celine-Umsatz in den kommenden Jahren verdreifachen wird, wie von Bernard Arnault erhofft.

Geschlechtsneutral. Ausnahmsweise in Paris und nicht in Mailand zeigte Alessandro Michele seine verklausulierte Gucci-Kollektion: Die Aufmerksamkeit dafür fiel im dicht gedrängten Kalender etwas weniger groß aus. Mit einem lag Michele aber völlig im Trend – nämlich der Tendenz, beim Casting und der Präsentation der Entwürfe auf Gender-Bending zu setzen. Androgyn wirkende weibliche Models, Kleider an Männern: Das gab es bei Gucci zu sehen, aber auch andernorts, wo in manchen Fällen freilich Männer- und Frauenmode Seite an Seite gezeigt wurde. In positivem Sinne unaufgeregter als zuletzt verlief die Präsentation der Balenciaga-Kollektion von Demna Gvasalia: Der Hype um seine Marke Vetements ist seit deren Umzug nach Zürich abgeklungen, dafür scheint Gvasalia bei Balenciaga zu seiner Form gefunden zu haben.

Ebenfalls an Balenciaga – und zwar an seine Ära als Kreativchef des Maisons – denken ließ Nicolas Ghesquière, der sich mit frisch erneuertem Vertrag bei Louis Vuitton zu neuer Verve emporschwingt. Sein Rezept, historisierende Referenzen und eine markant futuristische Silhouette zu überblenden, funktioniert perfekt. Dass auch die für Louis Vuitton so wichtigen Accessoires überzeugen (lustig: eine retrofuturistische „Kapseltasche", wie aus dem Weltraum gefischt), dürfte Teil des Erfolgsrezepts sein.

Schlafende Schönheiten. Als „Belles endormies“ gelten Marken, die von neuen Eignern wiederbelebt werden und um Relevanz ringen. Bei Schiaparelli startete man nun mit ­Prêt-à-porter und einer etwas wörtlich genommenen ­Hommage an Man Ray. Gerade einmal die zweite Saison beginnt für die Neuauflage von Paul Poirets Modehaus. Nächster Neuzugang in der Sleeping-Beauty-Liga: LVMH will das Maison Jean Patou wiederbeleben.
Schlafende Schönheiten. Als „Belles endormies“ gelten Marken, die von neuen Eignern wiederbelebt werden und um Relevanz ringen. Bei Schiaparelli startete man nun mit ­Prêt-à-porter und einer etwas wörtlich genommenen ­Hommage an Man Ray. Gerade einmal die zweite Saison beginnt für die Neuauflage von Paul Poirets Modehaus. Nächster Neuzugang in der Sleeping-Beauty-Liga: LVMH will das Maison Jean Patou wiederbeleben.(c) Beigestellt

Geschmacksfragen. Zu den gefeierten Jungtalenten in Paris zählt etwa die sympathische und kluge Marine Serre. Sie erhielt zuletzt den wichtigen LVMH-Preis für Nachwuchsdesigner und zeigte eine Kollektion, aus der sich unter anderem Gespür für Belange der Nachhaltigkeit ablesen lässt – und das braucht es allemal, um zukunftsfähig zu sein. Den üblichen High-Low-Mix zeigte mit seiner hippen Marke Off-White Virgil Abloh, im Hauptberuf seit einer Saison Louis-Vuitton-Männermode­macher.

Zu den interessanteren unabhängigen Positionen zählt neben dem äußerst geschmackssicheren Belgier Dries van Noten der gewinnende Deutsche Lutz Hülle, der zuletzt in Berlin auf Betreiben der deutschen „Vogue" groß gefeiert wurde. Unter den großen Modemarken fiel hingegen die gewohnt stilvolle Hermès-Kollektion positiv auf. Bei McQueen hatte sich Sarah Burton auf eine Recherche-Zeitreise in das viktorianische Zeitalter begeben. Albert Kriemler referenzierte bei Akris – das ist mittlerweile Programm bei dieser Modemarke, deren Wiener Niederlassung neuerdings Isabella Drozda, Ehefrau des Ex-Ministers leitet – das Œuvre einer Künstlerin, der Rumänin Greta Brătescu. Während seine einstige Ko-Designerin Maria Grazia Chiuri nunmehr für Christian Dior Facetten der Femininität dekliniert, zählt Pierpaolo Piccioli als alleiniger Valentino-Designer derzeit für viele zu den absoluten Topdesignern. Um die Marke für die Jugend attraktiv zu halten, schickt Piccioli neben seinen aufwendigeren Entwürfen auch markante Logo-Mode über den Catwalk. Vor dieser Entwicklung ist man weiterhin auch in Paris nicht gefeit.

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