In exakt 600 Wochen ist die Zukunft da, oder?

v.l.n.r. Leonhard Schitter, Vorstandssprecher der Salzburg AG mit Lars Thomsen, Zukunftsforscher und Keynotespeaker am 2. Innovation Summit der Salzburg AG.
v.l.n.r. Leonhard Schitter, Vorstandssprecher der Salzburg AG mit Lars Thomsen, Zukunftsforscher und Keynotespeaker am 2. Innovation Summit der Salzburg AG.APA/Leo Neumayr
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2030 verdrängen Roboterautos die Öffis! Futurologen lieben markige Ansagen, stoßen aber bald an ihre Grenzen.

Mit Zukunftsforschern wird sogar Popcornmachen zu einer hochkomplexen Angelegenheit: Wann poppen die ersten Maiskörner in der Pfanne auf? Wann startet die große Kaskade, wann ist sie vorbei? Während sich gegenwartsverliebte Durchschnittsmenschen verlässlich in die Fraktionen „Jetzt ist es gleich so weit“ und „Das wird nix mehr“ spalten, geht der Futurologe mit Kalkül an die Sache heran. Bei 200 Grad gehe es los, sagt Wikipedia. Die die Pfanne erwärmt sich je Sekunde um ein Grad, also gibt es in 23 Sekunden Popcorn.

Wow! Die Zukunft auf die Sekunde vorherzusagen, das schindet natürlich Eindruck. Vor allem Unternehmen hören Futurologen gern über das Morgen reden. Der Energieversorger Salzburg AG vertraut etwa auf Lars Thomsen, Chefzukunftsforscher bei Future Matters. Der Hamburger enttäuscht seine Auftraggeber nicht und liefert am Fließband markige Prognosen, die dem Unternehmen auch noch in die Karten spielen: In 600 Wochen, Futurologen-Speak für 2030, werden Elektroautos ohne Fahrer nur Betriebskosten von fünf bis acht Cent je Kilometer haben. „Da kommen wir an einen Punkt, an dem automatische Taxis billiger als der öffentliche Verkehr sind.“ Reine Stromer werden schon früher so günstig sein, dass sie verschwenderische Verbrenner verdrängen. Der Batteriepreis fällt jedes Jahr um 18Prozent. Geht das so weiter, seien Elektrobusse in Städten schon in drei Jahren wirtschaftlicher als Dieselbusse. Wie undenkbar wäre so eine Zukunft ohne sichere Stromversorger?

Und da 2030 kaum Menschen eigene Autos kaufen werden, wird der Markt für Heimroboter dann schon den Automarkt überflügeln. Auch hier hat Thomsen recht genaue Vorstellungen: Um 199 Euro im Monat gebe es dann mechanische Putz- und Pflegebutler zur Miete. Vielleicht, ja vielleicht sogar von einem Unternehmen wie der Salzburg AG. Wer wolle schon intimsten Daten dem US-Giganten Google in den Rachen werfen, wenn sie auch beim freundlichen Energiekonzern aus der Heimat lagern können? Rosige Aussichten also für ein Unternehmen, das die Zukunft ernst nimmt, oder?


Die Auftraggeber können zufrieden sein. Der Rest bleibt mitunter etwas enttäuscht zurück. Denn auch die besten Zukunftsforscher stehen manchen Fragen ratlos gegenüber. Was werden Menschen machen, deren Arbeit von Maschinen erledigt wird? Wie finanzieren Staaten eine Zukunft, in der scharenweise Beitragszahler verschwinden? Hier gehen dem Futurologen die exakten Ansagen aus, „weil wir es nicht wissen“. Eine Generation lang werde der Umbruch wehtun, globale Wirtschaftskrise inklusive, schätzt er. Die größte Gefahr sei, dass Menschen Job und Sinn verlieren. „Das ist etwas, was mich in der Nacht umtreibt“, sagt Lars Thomsen. Eigentlich ein gutes Zeichen: Zumindest scheint er auch selbst seinen Prognosen zu trauen.

E-Mail: matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2018)

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