Volksoper: Österreichs verlorene Talente

Blühend. Elissa Fuchs war Ballerina an der Metropolitan Opera. Jetzt ist sie 99 Jahre alt.
Blühend. Elissa Fuchs war Ballerina an der Metropolitan Opera. Jetzt ist sie 99 Jahre alt. (c) beigestellt
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Was passierte mit den Künstlern, die 1938 die Volksoper verlassen mussten? Marie-Theres Arnbom forschte ihren Schicksalen nach.

Bis in die Wälder von North Carolina ist die Historikerin Marie-Theres Arnbom gereist, um für ihr jüngstes Buch zu recherchieren: „Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt. Aus der Volksoper vertrieben – Künstlerschicksale 1938". Beauftragt hat das Werk die Volksoper selbst, das Projekt läuft schon länger, allerdings war die Faktenlage schwierig. „Die Volksoper war ein privater Verein, der 1938 der Stadt Wien zugeschlagen wurde. Leider sind im Zuge dessen alle Unterlagen verschwunden, es gibt keine Verträge und Korrespondenzen mehr aus dieser Zeit," erzählt die Historikerin. Sie hat daher begonnen, die Recherche von einer anderen Seite aufzuziehen. „Ich habe biografische Künstlerlexika durchgeackert und geschaut, welche Künstler an der Volksoper waren. Außerdem hat der Archivar der Volksoper die Bühnenjahrbücher von 1935 bis 1944 durchgesehen und in eine Excel-Tabelle eingetragen, welche Künstler 1938 da waren und 1939 nicht mehr. Allerdings war das nur ein Teilindiz, weil Verträge damals oft nur für ein Jahr geschlossen wurden."

Dirigent. Peter Paul Fuchs war Kapellmeister an der Wiener Volksoper – und floh rechtzeitig.
Dirigent. Peter Paul Fuchs war Kapellmeister an der Wiener Volksoper – und floh rechtzeitig. (c) Courtesy Peter Paul Fuchs Papiers, Universität of North Carolina, Greensboro

Fantastische Karrieren. Arnbom hat 30 Künstler gefunden („bei Weitem nicht alle"), die von den Nazis verjagt wurden – ihren Schicksalen hat sie im Buch nachgespürt. „Ich bin überzeugt davon, dass nur Einzelschicksale das Grauen deutlich machen, das damals vorherrrschte. Der Großteil der Künstler, die ich beschreibe, konnte fliehen. Und sie haben fantastische Karrieren im Ausland hingelegt und echte musikalische Pionierarbeit geleistet. Da wird einem schon bewusst, welche Talente Österreich verloren hat – und nie wieder zurückgewinnen wird."

Volksoper in NY. Laszlo Halasz wurde erster Direktor der New York City Opera.
Volksoper in NY. Laszlo Halasz wurde erster Direktor der New York City Opera. (c) courtesy George Halasz

Peter Paul Fuchs, einst Kapellmeister an der Volksoper, ist eines dieser Talente. Er floh in die USA und brachte in North Carolina das kulturelle Leben zum Blühen. „Er hat in Greensboro eine Oper gegründet und erstmals Mahler gespielt. Das war nicht so einfach, weil er zunächst die Orchestermusiker überzeugen musste, das zu spielen," erzählt Arnbom. Der Musiker ist zwar 2007 verstorben, seine 99-jährige Frau Elissa hat Arnbom aber bereitwillig Auskunft gegeben. „Einerseits geniere ich mich, dass ich die Erste bin, die mit den Nachfahren über das Schicksal ihrer Familien spricht, andererseits sind diese für das Interesse aber sehr dankbar," sagt die Historikerin. Fuchs lernte ihren späteren Ehemann an der Metropolitan Opera kennen („We Met at the Met" ist Titel ihrer Autobiografie), bald heirateten sie. Das Hochzeitskleid aus goldenem Garn wurde bei Arnboms Besuch hervorgeholt. „Ein Gänsehautmoment."

Tipp

Nachlese.„'Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt'. Aus der Volksoper vertrieben – Künstlerschicksale 1938" von Marie-Theres Arnbom (Amalthea). Das Buch wird am 13. und ­14. November jeweils um 19.30 Uhr in der Volksoper präsentiert.

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