Habsburg: "Kaiser zu sein ist kein Job, den man anstrebt"

Karl I., letzter Kaiser von Österreich
Karl I., letzter Kaiser von Österreich(c) imago/United Archives International (imago stock&people)
  • Drucken

Der letzte österreichische Kaiser Karl I. verzichtete vor 100 Jahren auf die Regierungsgeschäfte - niemals jedoch auf den Thron. Nach zwei gescheiterten Restaurationsversuchen starb er in der Verbannung auf Madeira.

Das Ende der Monarchie in Österreich jährt sich am 11. November zum 100. Mal. An diesem Tag verzichtete der letzte österreichische Kaiser, Karl I., "auf jeden Anteil an den Regierungsgeschäften". Tags darauf wurde von der Provisorischen Nationalversammlung die Republik Deutsch-Österreich aufgerufen, die nach dem Willen ihrer Abgeordneten im Deutschen Reich aufgehen sollte. Ein Rückblick auf den politischen Werdegang des letzten Kaisers auf österreichischem Gebiet.

Karl bestieg nach dem Tod seines Großonkels Franz Joseph I. im Jahr 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, den Thron und versuchte vergeblich, geheime Friedensverhandlungen mit der Entente einzuleiten. Unter dem Druck der demokratischen Entwicklung unmittelbar nach Kriegsende verzichtete er schließlich 1918 auf die Ausübung der Regierungsgeschäfte. Nach zwei Restaurationsversuchen in Ungarn wurde er nach Madeira verbannt, wo er kurz darauf starb. Auf seinen Thron hat Karl, wie auch später seine Witwe Zita, nie verzichtet.

Der junge Erzherzog Karl Franz Joseph war erst die dritte Wahl für die Nachfolge Franz Josephs gewesen. Nach dem geheimnisumwitterten Selbstmord von dessen Sohn Rudolf in Mayerling avancierte Franz Josephs Neffe Franz Ferdinand in diese Rolle. Erst als dieser 1914 dem Attentat in Sarajevo zum Opfer fiel, kam sein damals 27-jähriger Neffe Karl zum Zug. Karl war am 17. August 1887 in Schloss Persenbeug in der Wachau geboren worden, sein Vater Otto Franz Joseph war ein Bruder Franz Ferdinands.

Achtfacher Vater besteigt den Thron

1911 heiratete Karl Zita von Bourbon-Parma, die Tochter des letzten Herzogs von Parma, Robert von Bourbon, und seiner zweiten Frau, Maria Antonia von Braganza, Infantin von Portugal. Mit ihr hatte er acht Kinder. Nach dem Tod Franz Josephs am 21. November 1916 bestieg Karl den Thron der Donaumonarchie und wurde am 30. Dezember in Budapest als Karl IV. zum ungarischen König gekrönt.

Um sich der Vorherrschaft des deutschen Kriegsverbündeten zu entziehen, versuchte das Kaiserpaar durch Zitas Bruder Sixtus von Bourbon-Parma über den französischen Präsidenten Raymond Poincare 1917 geheime Friedensverhandlungen mit der Entente herzustellen. Karl stellte seine Unterstützung der französischen Ansprüche auf Elsass-Lothringen in Aussicht, die Aktion scheiterte jedoch an den italienischen Forderungen nach der Abtretung Südtirols. Frankreichs Regierungschef Georges Clemenceau ließ nach einer heftigen Attacke des österreichisch-ungarischen Außenministers Ottokar Graf Czernin die "Sixtus-Briefe" im April 1918 veröffentlichen, was zu einer Belastung der Beziehungen mit Berlin und einer Schwächung von Karls öffentlichem Ansehen führte.

Ursprünglich in der drängenden Nationalitätenfrage zaudernd, versuchte Karl schließlich im Oktober 1918 - zu spät -, mit seinem "Völkermanifest" über eine föderative Neugliederung der österreichischen Reichshälfte das Steuer herumzureißen, was aber durch den rapiden militärischen Zusammenbruch zum Scheitern verurteilt war. Am 12. November 1918 rief die zusammengetretene Provisorische Nationalversammlung die Republik Österreich aus.

Schloss Eckartsau - Schweiz - Madeira

Nach seinem Verzicht auf die Regierungsgeschäfte am 11. November zog sich Karl mit seiner Familie zunächst auf sein Schloss Eckartsau zurück. Zwei Tage später verzichtete er dort auch gegenüber einer ungarischen Politikerdelegation schriftlich auf die Regierungsausübung in Ungarn.

Wegen seiner Weigerung, formell abzudanken, wurde der innenpolitische Druck auf Karl immer größer, das Land zu verlassen. Am 23. März 1919 reisten der letzte Kaiser und seine Familie mit dem kaiserlichen Hofzug der Staatsbahnen von Kopfstetten, der nächstgelegenen Bahnstation, in die Schweiz ab. Von dort aus versuchte Karl noch zwei Mal, die Monarchie in Ungarn wiederzuerrichten.

Im Oktober 1921 wurden die ihm ergebenen Truppen - unter der Führung des Generals Anton von Lehar, des Bruders des Operettenkomponisten - bei Budaörs jedoch endgültig geschlagen, Karl und Zita verhaftet und mit ihren Kindern nach Madeira verbannt. Am 19. November 1922 kam die Familie im Hafen von Funchal an, nicht einmal fünf Monate später erlag der entthronte Monarch einem Lungenleiden.

Sein Sohn Otto Habsburg und sein Enkel Karl Habsburg waren politisch als Europaabgeordnete für die bayerische CSU bzw. ÖVP aktiv. Karl übernahm von seinem Vater den Vorsitz in der Paneuropa-Bewegung. Das jetzige Familienoberhaupt hat seinen Frieden damit geschlossen, kein Monarch zu sein. "Ehrlich gesagt, Kaiser zu sein, ist kein Job, den man anstrebt", sagte Karl Habsburg kürzlich dem "Kurier". "Ich bin froh, dass ich heute die Freiheit habe, mehr oder minder machen zu können, was ich will und mich nicht an irgendein Protokoll halten muss."

Eckdaten des Ersten Weltkriegs

28. Juni 1914 - Der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand wird in Sarajevo vom serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erschossen

23. Juli 1914 - Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien

28. Juli 1914 - Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien

1./3./4. August 1914 - Kriegserklärung Deutschlands an Russland / an Frankreich / Einmarsch in Belgien / Kriegserklärung Großbritanniens an Deutschland

5. September 1914 - Großbritannien, Frankreich und Russland vereinbaren im Londoner Vertrag Kriegsführung bis zum gemeinsamen Friedensschluss

26. April 1915 - Londoner Geheimvertrag der Entente mit Italien

23. Mai 1915 - Italien erklärt Österreich-Ungarn den Krieg

22. April 1915 - Deutsche Truppen setzen in der Ypern-Schlacht erstmals Giftgas ein

23. Juni 1915 - Beginn der Isonzo-Schlachten zwischen Österreich-Ungarn und Italien

27. Mai 1916 - US-Präsident Woodrow Wilson proklamiert die Schaffung eines Völkerbundes als Ziel seiner Politik

21. November 1916 - Tod von des österreichischen Kaisers Franz Joseph, sein Großneffe folgt ihm als Karl I. nach

1. Februar 1917 - Deutschland erklärt den uneingeschränkten U-Boot-Krieg

14. März 1917 - Russischer Zar Nikolaus II. dankt im Zuge der Februar-Revolution ab

6. April 1917 - USA erklären dem Deutschen Reich den Krieg, die Kriegserklärung an Österreich-Ungarn erfolgt acht Monate später

27. Oktober 1917 - Truppen der Mittelmächte gelingt in der zwölften Isonzoschlacht der Durchbruch, Giftgas-Einsatz

7. November 1917 - Oktoberrevolution in Russland

15. Dezember 1917 - Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und Russland

8. Jänner 1918 - US-Präsident Wilson verkündet seine 14 Punkte für Nachkriegsordnung

3. März 1918 - Durch Wiederaufnahme der Kriegshandlungen erzwingt Berlin den Friedensschluss von Brest-Litowski mit Russland

26. Juni 1918 - Scheitern der letzten österreichisch-ungarischen Offensive an der Piavemündung

16. Oktober 1918 - Kaiser Karl I. kündigt Umgestaltung des Reiches in einen Bundesstaat an ("Völkermanifest")

28. Oktober 1918 - Proklamation der Tschechoslowakei

29. Oktober 1918 - Südslawische Völker erklären ihre Loslösung von Österreich-Ungarn

1. November 1918 - Bildung einer selbstständigen ungarischen Regierung

3. November 1918 - Waffenstillstand der Alliierten mit Österreich-Ungarn in Villa Giusti bei Padua

12. November 1918 - Proklamation der Republik Deutsch-Österreich, nach Verzichtserklärung von Kaiser Karl I. am Vortag

(APA/Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Richard Konopas „Ausrufung der Republik vor dem Parlament“ ist in der Ausstellung „Die erkämpfte Republik“ im Wien-Museum zu sehen.
Zeitreise

Die Republik, die nicht an einem Tag entstand

Im österreichischen Bildgedächtnis ist der eigentliche Staatsgründungsakt am 30. Oktober 1918 nicht präsent – was das Geschichtsbild bis heute prägt, sind die Tumulte auf der Rampe des Parlaments am 12. November 1918.
Bundespräsident Van der Bellen beim Staatsakt anlässlich 100 Jahre Republik.
Zeitreise

Van der Bellen: "Erneuern wir das spezifisch Österreichische"

Mit einem Staatsakt feiert das offizielle Österreich den 100. Jahrestag der Ausrufung der Republik. Nur die liberale Demokratie kenne das Ringen um gemeinsame Lösungen zum Wohle aller, sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
In der Sitzung der provisorischen Nationalversammlung am 12. November 1918 wurde die "Republik Deutsch-Österreich" ausgerufen.
Zeitreise

"Geburtszeit 15:33 Uhr": Parlament gibt Dokumente zu Republikausrufung online

9000 Parlamentarische Materialien der Ersten Republik wurden vom Kompetenzzentrum digitalisiert und werden nach Aufbereitung sukzessive veröffentlicht.
Verhandlungen über den Frieden in Versailles
Zeitreise

Friedensverträge als Keimzelle für einen neuen Krieg

Versailles, St. Germain, Trianon, Neuilly, Sevres: Die fünf Namen gelten als Synonym für das "Friedensdiktat" nach dem Ersten Weltkrieg, das neue Konflikte zwischen den Staaten schürte. Es umfasste Gebietsverluste, Entmilitarisierung und Strafzahlungen.
In der Sitzung der provisorischen Nationalversammlung am 12. November 1918 wurde die "Republik Deutsch-Österreich" ausgerufen.
Zeitreise

11./12. November 1918: Tod der Monarchie, Geburt der Republik

Erst verzichtete Kaiser Karl I. auf "jeden Anteil an den Staatsgeschäften", am Tag darauf wurde die "Republik Deutsch-Österreich" ausgerufen. Eine Chronologie der entscheidenden Stunden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.